15.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 13429

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Urteil03.04.2012Oberlandesgericht Stuttgart17 UF 352/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2012, 1497Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2012, Seite: 1497
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil03.04.2012

Bei türkischen Ehescheidungen gilt neben dem Zerrüt­tungs­prinzip auch das Verschul­den­s­prinzipDer allein oder überwiegend Schuldige ist nicht zu einer Ehescheidung berechtigt

Das türkische Scheidungsrecht kennt neben dem Zerrüttungs- auch das Verschul­den­s­prinzip. Trifft einem der Ehegatten die alleinige oder überwiegende Schuld an der Zerrüttung, so kann dieser keinen Schei­dungs­antrag stellen. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Stuttgart hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein türkisches Ehepaar lebte seit 2005 getrennt voneinander. Im Mai 2006 reichte die Ehefrau einen Schei­dungs­antrag ein. Sie wollte damit verhindern, dass sich der Ehegatte in die Türkei absetzt und seinen Unter­halts­ver­pflich­tungen nicht mehr nachkommt. Der Ehemann widersprach der Scheidung. Es kam zu einer mündlichen Verhandlung, in der die Ehefrau den Schei­dungs­antrag jedoch nicht mehr stellte. Im März 2011 begehrte der Ehemann die Fortsetzung des Schei­dungs­ver­fahrens. Die Ehefrau nahm daraufhin ihren Schei­dungs­antrag zurück und widersprach der Scheidung, da sie sich nicht mehr von ihrem Ehemann scheiden lassen wollte. Sie befürchtete sonst einen Ansehensverlust. Das Familiengericht Stuttgart-Bad Cannstatt hat die Ehe nach türkischem Recht geschieden. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Ehe zerrüttet gewesen sei. Der Widerspruch der Ehefrau sei rechts­miss­bräuchlich und daher unbeachtlich gewesen. Gegen diese Entscheidung legte sie Beschwerde ein. Sie war der Meinung, dem Ehegatten habe aufgrund seiner Gewalttätigkeit in der Ehe kein Scheidungsrecht zugestanden. Zudem stehe ihr ein Wider­spruchsrecht zu, da der Ehemann für die Zerrüttung der Ehe allein verantwortlich sei.

Scheidung aufgrund Antrags des Ehemanns unzulässig

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart entschied zu Gunsten der Ehefrau. Es führte zunächst aus, dass die Ehescheidung nach türkischem Recht zu beurteilen gewesen sei (Art. 17 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Ehemann sei demnach nicht berechtigt gewesen einen Schei­dungs­antrag einzureichen.

Schei­dungs­williger Ehegatte darf kein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe tragen

Nach Art. 166 Abs. 1 des türkischen Zivil­ge­setzbuchs (tZGB) sei jeder Ehegatte berechtigt einen Schei­dungs­antrag einzureichen, so das Oberlan­des­gericht weiter, sofern jedenfalls die eheliche Gemeinschaft so grundlegend zerrüttet ist, dass dem Ehegatten die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden könne. Daneben dürfe dem schei­dungs­un­willigen Ehegatten entweder gar kein oder zumindest nur ein geringfügiges Verschulden an der Zerrüttung anzulasten sein. Denn der Ehegatte, der allein oder weitüberwiegend verantwortlich ist, habe nicht das Recht einen Schei­dungs­antrag zu stellen.

Ehemann trug alleiniges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe

Das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe sei hier nach Auffassung des Gerichts dem Ehemann allein anzulasten gewesen. Denn dieser sei aus der Wohnung ausgezogen und habe trotz bestehender Ehe eine neue Partnerin gehabt. Er sei daher nicht dazu berechtigt gewesen, die Scheidung zu beantragen. Eine Mitschuld seiner Ehefrau habe er demgegenüber nicht nachweisen können. Insbesondere habe der Umstand, dass sie selbst einen Schei­dungs­antrag gestellt hatte, nicht zur Annahme eines Verschuldens geführt. Denn dies habe sie nur im Interesse ihrer Kinder getan.

Widerspruch der Ehefrau war unerheblich

Auf dem von der Ehefrau erklärten Widerspruch sei es aus Sicht der Richter nicht mehr angekommen. Nach § 166 Abs. 2 tZGB könne der Ehegatte, der an dem Scheitern der Ehe weniger Schuld trifft, dem Schei­dungs­antrag widersprechen. Da der Ehemann hier die alleinige bzw. überwiegende Schuld getragen habe, wäre er zulässig gewesen.

Widerspruch wäre nicht rechts­miss­bräuchlich gewesen

Darüber hinaus wäre nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts der Widerspruch nicht rechts­miss­bräuchlich gewesen. Zwar stehe dem Ehegatten ein Wider­spruchsrecht nicht zu, wenn sein Widerspruch ohne ersichtlichen Grund eingelegt wurde, obwohl dem Wider­spre­chenden in Wahrheit nichts am Fortbestand der Ehe liege. Ein solcher Fall habe hier aber nicht vorgelegen. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass eine geschiedene Frau in der türkischen Gesellschaft ein geringeres Ansehen habe, als eine verheiratete. Es sei daher nicht rechts­miss­bräuchlich gewesen, wenn die Ehefrau nicht das "Stigma" der geschiedenen Ehefrau auf sich nehmen habe wollen.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, ra-online (vt/rb)

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