18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 34130

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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil25.06.2024

Impfärzte haften nicht für etwaige ImpfschädenWerden Privatpersonen hoheitlich tätig, haftet gegenüber dem Geschädigten nur der Staat

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat eine Schaden­s­er­satzklage gegen eine Impfärztin nach einer Corona-Schutzimpfung abgewiesen. Impfärzte handelten im Rahmen der nationalen Corona-Impfkampagne hoheitlich. Bei etwaigen Aufklä­rungs­fehlern kommen daher nur Staats­haftungs­ansprüche gegen den Staat in Betracht, nicht aber Schaden­ersatz­ansprüche eines Impfge­schä­digten gegen die Ärzte persönlich.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von ihrer Impfärztin Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 Euro und Schadensersatz wegen eines behaupteten Impfschadens nach einer Corona-Schutzimpfung mit dem Impfstoff des Unternehmens BioNTech/Pfizer (Comirnaty). Im Januar und Februar 2021 wurden der Klägerin in einer Heilbronner Pflege­ein­richtung, in der sie als Auszubildende beschäftigt war, zwei Impfungen verabreicht. Die Impfungen erfolgten im Rahmen einer Impfaktion und wurden von einem mobilen Impfteam durchgeführt, das an ein Impfzentrum angegliedert war. Vor den Impfungen war der Klägerin jeweils ein vom Deutschen Grünen Kreuz in Kooperation mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) erstelltes Aufklä­rungs­merkblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 mit mRNA-Impfstoff“ mit dazugehörigem Anamnesebogen ausgehändigt worden. Das Merkblatt wurde von der Klägerin vor der jeweiligen Impfung gelesen und ausgefüllt. Ein ärztliches Aufklä­rungs­ge­spräch fand in der Folge nicht statt. Unmittelbar im Anschluss an die zweite Impfung wurde bei der Klägerin eine geringgradige halbseitige Lähmung links mit geringer Gangun­si­cherheit diagnostiziert und der Verdacht auf eine Impfreaktion bescheinigt. Die Klägerin behauptet, infolge des erlittenen Impfschadens dauerhaft arbeitsunfähig zu sein. Durch die beklagte Impfärztin sei sie nicht ausreichend über die Risiken der Impfung aufgeklärt worden. Bei einer zureichenden Aufklärung hätte sie sich aber schon gar nicht impfen lassen, weshalb die Ärztin ihr den aus der Impfung entstandenen Schaden zu ersetzen und außerdem Schmerzensgeld zu leisten habe. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Corona-Schutzimpfung seien die vom BGH für Routin­e­imp­fungen entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden, da es sich um eine von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene und millionenfach durchgeführte Impfung gehandelt habe. Danach sei die Aushändigung eines Aufklä­rungs­merk­blattes dann ausreichend, wenn dem Patienten vor der Impfung zumindest die Möglichkeit gegeben werde, weitere Fragen an den impfenden Arzt zu richten. Ein ausführliches ärztliches Aufklä­rungs­ge­spräch sei dagegen nicht erforderlich.

Verimpfen von Corona-Impfstoffen ist hoheitliche Tätigkeit

Das OLG hat die landge­richtliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zu der Frage, ob die Klägerin ausreichend aufgeklärt worden war, hat sich der Senat – anders als das LG – hingegen nicht verhalten. Denn der Senat hat die Klage bereits mangels Passiv­le­gi­ti­mation der beklagten Impfärztin abgewiesen, da die Impfärztin schon nicht die zutreffende Anspruchs­gegnerin etwaiger Ansprüche ist. Das Verimpfen von Corona-Impfstoffen im Rahmen der nationalen Impfstrategie durch hierzu Beauftragte ist nach dem Urteil des OLG als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren. Denn sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung haben die Bevölkerung im Rahmen einer breit angelegten Impfkampagne der STIKO-Empfehlung des RKI folgend aufgefordert, sich zum eigenen Schutz sowie zum Schutze der Allgemeinheit gegen Corona impfen zu lassen. Mit § 20 i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a) Sozial­ge­setzbuch V in der ab dem 19.11.2020 gültigen Fassung und der Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) vom 18.12.2020 wurde außerdem ein Rechtsanspruch auf die Corona-Schutzimpfung geschaffen. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruchs und flächen­de­ckenden Pande­mie­be­kämpfung durch die staatlich geförderte Impfkampagne sind zunächst „von den Ländern oder im Auftrag der Länder“ Impfzentren eingerichtet und mobile Impfteams gebildet worden (§ 6 Abs. 1 CoronaImpfV in der Ursprungs­fassung). Später hätten auch beauftragte niedergelassene Ärzte den Impfanspruch erfüllen können. Würden Privatpersonen – wie hier die Impfärzte – hoheitlich tätig, hafte gegenüber etwaig Geschädigten aber nur der Staat.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, ra-online (pm/ab)

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