23.11.2024
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Dokument-Nr. 11803

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Oberlandesgericht Schleswig-Holstein Beschluss09.06.2011

OLG Schleswig-Holstein zu den Voraussetzungen für den Anspruch auf Verfah­rens­kos­tenhilfe beim Elternstreit um einen KinderausweisVermitt­lungs­termin beim Jugendamt für Eltern nur bei Erhalt eines Termins binnen einer Frist von einem Monat zumutbar

Ohne Kinderausweis kann ein Elternteil sein Kind nicht auf eine Urlaubsreise ins Ausland mitnehmen. Ist der andere Elternteil mit der Ausstellung des Kinderausweises nicht einverstanden, so bleibt bei einem gemeinsamen Sorgerecht als Ausweg, das Jugendamt um eine Vermittlung zu bitten oder zu Gericht zu gehen. Das Oberlan­des­gericht Schleswig-Holstein hatte darüber zu entscheiden, in welchen Fällen ein Elternteil, der sich finanziell selbst kein gerichtliches Verfahren leisten kann, Verfah­rens­kos­tenhilfe als staatliche Leistung über den direkten Weg zu Gericht erhält.

Im zugrunde liegenden Fall wollte eine Mutter mit ihren beiden neun Monate und zwei Jahre alten Kindern Verwandte in Holland besuchen. Für das jüngste Kind war noch kein Kinderausweis vorhanden. Die Eltern sind verheiratet, leben aber getrennt. Der Vater verweigerte die Zustimmung zur Ausstellung des Kinderausweises, weil er befürchtete, dass die Mutter das Kind ohne seine Zustimmung in die Türkei zu dortigen Verwandten bringen wollte. Die Mutter beantragte daraufhin bei dem Familiengericht, ihr die Befugnis zu geben, die Ausstellung des Kinderausweises alleine zu beantragen. Zugleich wollte sie für das gerichtliche Verfahren Verfah­rens­kos­tenhilfe haben, weil sie nur über geringe Einkünfte verfügte. Das Familiengericht lehnte den Antrag auf Verfah­rens­kos­tenhilfe wegen "Mutwilligkeit" ab, weil die Mutter vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht das Jugendamt eingeschaltet hatte. Hiergegen legte die Mutter Rechtsmittel ein.

Vermitt­lungs­versuche beim Jugendamt führen regelmäßig zu unnützen Zeitver­zö­ge­rungen

Das Oberlan­des­gericht sah das Handeln der Mutter nicht als mutwillig an und gewährte ihr Verfah­rens­kos­tenhilfe. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass in den Verfah­rens­vor­schriften ein obligatorisches (verpflichtendes) Schlich­tungs­ver­fahren beim Jugendamt vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht vorgesehen ist. Durch einen Vermitt­lungs­versuch beim Jugendamt kommt es regelmäßig zu einer Zeitverzögerung.

Jugendamt muss binnen einer Frist von einem Monat Vermitt­lungs­termin anbieten können

Diese ist einem Elternteil, der auf Verfah­rens­kos­tenhilfe angewiesen ist, nur zumutbar, wenn eine Vermittlung durch das Jugendamt eine überwiegende Erfolgsaussicht hat. Da im gerichtlichen Verfahren das Beschleunigungsgebot gilt, nach dem insbesondere das Familiengericht spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens einen Termin zur Erörterung ansetzen soll, ist es den Eltern auch nur zumutbar, vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens das Jugendamt einzuschalten, wenn das Jugendamt binnen einer Frist von einem Monat einen Vermitt­lungs­termin anbieten kann.

Vater stellt Bedenken gegen Urlaubsreise im gerichtlichen Verfahren zurück

Im vorliegenden Fall hatte sich der Vater außer­ge­richtlich mehrfach geweigert, der Ausstellung eines Kinderausweises zuzustimmen, so dass das Oberlan­des­gericht es als wenig wahrscheinlich ansah, dass der Kindesvater bereits im Rahmen einer Vermittlung durch das Jugendamt seine Zustimmung erteilt hätte. Im gerichtlichen Verfahren um Zustimmung stellte der Vater letztendlich seine Bedenken gegen die Urlaubsreise zurück. Die Eltern einigten sich vor dem Familiengericht, dass der Vater mit der Ausstellung des Kinderausweises für das jüngste Kind einverstanden ist. Im Gegenzug verpflichtete sich die Mutter, dem Vater Urlaubsreisen ins Ausland vor Reiseantritt mitzuteilen und sich nicht länger als vier Wochen am Stück mit den Kindern im Ausland aufzuhalten.

Quelle: Oberlandgericht Schleswig-Holstein/ra-online

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