Grundsätzlich soll eine Ehe gem. § 1303 Abs. 1 BGB nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Jedoch kann das Familiengericht auf Antrag von dieser Vorschrift eine Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist (§ 1302 Abs. 1 und 2 BGB).
Im zugrundeliegenden Fall wollte eine 16jährige Realschülerin einen 21 Jahre alten türkischen Studenten heiraten, der mit einem Studentenvisum im September zuvor nach Deutschland eingereist war. Das Paar lebte zum Zeitpunkt der Antragstellung bei den Eltern der Schülerin. Die Eltern hatten der geplanten Eheschließung schon zugestimmt.
Das Familiengericht Saarbrücken und das in der Beschwerdeinstanz zuständige Oberlandesgericht Saarbrücken lehnten die Heirat allerdings ab. Zwar lägen die formalen Voraussetzungen vor, jedoch widerspräche, die beabsichtigte Ehe unter den gegebenen Umständen den wohlverstandenen Interessen der 16jährigen Frau. Das Gericht hat die Befreiung vom Erfordernis der Volljährigkeit jedoch zu versagen, wenn der Minderjährige (hier eine 16-jährige Schülerin) aufgrund seiner fehlenden persönlichen Reife die volle Tragweite des Heiratsentschlusses noch nicht erfasst.
Die Richter meinten, die Frau habe sich mit der nicht fernliegenden Möglichkeit einer alsbaldigen Elternschaft und deren Auswirkung auf ihre künftige Lebensgestaltung bislang nicht hinreichend auseinandergesetzt. Außerdem sei ihr Ziel, vor Vollendung des 18 Lebensjahres zu heiraten, in nicht unerheblichem Umfang von dem Bestreben motiviert, ihrem Verlobten die Wohnmöglichkeit im Hause ihrer Eltern zu erhalten. Dieser müsse ohne die Erlaubnis zu heiraten wieder in die Türkei zurückkehren.
Hinter dem Wunsch, durch eine rasche Heirat die Beziehung zu ihrem Verlobten zu legitimieren, würde daneben auch der von elterlicher Seite ausgeübte Druck stehen. Die Eltern hielten es nämlich nach eigenem Bekunden "nicht für angebracht", den Verlobten ohne alsbaldige Heirat noch länger in ihrem Haus wohnen zu lassen.
Entscheidend gegen die Erteilung der erstrebten Befreiung spreche weiter, dass es der geplanten Ehegemeinschaft derzeit und bis auf weiteres an jeglicher eigenständiger wirtschaftlicher Existenzgrundlage fehlen würde, da sich beide Partner noch ohne Abschluss in der Ausbildung befinden, ohne dass absehbar wäre, wann einer von beiden in der Lage wäre, in nennenswertem Umfang zum Familienunterhalt beizutragen. Neben der sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Abhängigkeit von den beiderseitigen Eltern bestünde unter diesen Umständen zudem die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die beabsichtigte Eheschließung die anstehende berufliche Ausbildung der minderjährigen Antragstellerin ungünstig beeinflussen wird, wenn etwa ein zum Erhalt einer adäquaten Ausbildungsstelle gegebenenfalls erforderlicher Ortswechsel mit Rücksicht auf die konkreten - auch finanziellen - Gegebenheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft unterbleiben muss, was bei der vorliegenden Prognoseentscheidung mit zu berücksichtigen ist, auch wenn die Sorgeberechtigten der vorzeitigen Eheschließung - wie hier die Eltern der Antragstellerin - nicht widersprechen. Denn in der heutigen Zeit kommt einer abgeschlossenen Ausbildung ein hoher Stellenwert zu und die Nachteile einer abgebrochenen oder gänzlich fehlenden Ausbildung wiegen im Regelfall schwerer als die Vorteile einer vorzeitigen Eheschließung, wobei die Nachteile insbesondere der Allgemeinheit zur Last fallen.
Die im zugrundeliegenden Fall noch gut vierzehnmonatige Wartezeit bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres sei der Frau unter den gegebenen Umständen zumutbar, entschieden die Richter.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.06.2008
Quelle: ra-online