21.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.
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Oberlandesgericht Nürnberg Urteil07.03.1995

Trotz nicht abgesperrter Wohnungstür: Hausrat-Versicherung muss Schaden ersetzen30.000 DM Schaden durch Wohnungs­einbruch

Wer seine Wohnung längere Zeit verläßt, sollte die Wohnungstür nicht nur ins Schloß fallen lassen, sondern zusätzlich absperren. Andernfalls riskiert er seinen Versi­che­rungs­schutz und läuft Gefahr, nach einem Wohnungs­einbruch auf dem Schaden sitzen zu bleiben. Jedoch führt nicht schon jede leichte Nachlässigkeit zum Wegfall des Versi­che­rungs­schutzes, sondern nur "grobe Fahrlässigkeit". Das stellte das Oberlan­des­gericht Nürnberg in einem Zivilurteil klar.

Ob das Nichtabsperren einer Wohnungstür noch als verzeihliche Sorglosigkeit einzustufen ist oder schon als grober Leichtsinn, läßt sich nach Ansicht des Gerichts nicht pauschal beantworten. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die örtliche Situation und die Dauer der Abwesenheit. Im konkreten Fall (zweistündiges Verlassen der in einem übersichtlichen Mehrfa­mi­li­enhaus gelegenen Wohnung am Abend) hielten die OLG-Richter die Grenze zur groben Fahrlässigkeit noch nicht für überschritten. Sie entschieden deshalb, daß die bestohlene Wohnungs­be­sitzerin ihren Schaden - rund 30.000 DM - von der Hausrat­ver­si­cherung ersetzt bekommt.

Die 26 Jahre alte Klägerin hatte ihre Wohnung um 21 Uhr verlassen. Spätestens nach zwei bis drei Stunden wollte sie wieder zu Hause sein. Wider Erwarten dauerte es dann doch etwas länger als geplant. Als die junge Frau schließlich zurückkam, bot sich ihr ein Bild des Jammers: Die Tür war gewaltsam aufgebrochen, in der Wohnung hatten die Einbrecher wie die Vandalen gehaust, die Einrichtung war regelrecht verwüstet. Außerdem hatten die Diebe zahlreiche Wertsachen mitgehen lassen. Insgesamt bezifferte die Klägerin ihren Schaden auf über 30.000 DM.

Diesen Schaden verlangte sie von ihrer Hausrat­ver­si­cherung ersetzt. Das Unternehmen weigerte sich jedoch zu zahlen. Es warf der Wohnungs­be­sitzerin vor, sich äußerst leichtsinnig verhalten und dadurch den Einbruch mitverschuldet zu haben. Sie habe nämlich nach Verlassen der Wohnung die Tür lediglich zugezogen, ohne sie zu versperren. Durch diese grobe Fahrlässigkeit habe sie ihren Versi­che­rungs­schutz verwirkt. Dem hielt die Klägerin entgegen, daß ein zusätzliches Versperren der Tür den Einbruch auch nicht verhindert hätte; denn das schon recht betagte Schloß sei leicht zu knacken gewesen. Da beide Seiten auf ihrem Standpunkt beharrten, mußte das Gericht entscheiden.

Der Versi­che­rungssenat des Oberlan­des­ge­richts Nürnberg gab der Klägerin recht.

Zwar habe sich die junge Frau nicht gerade sorgfältig verhalten, als sie die Wohnung verließ, ohne die Tür hinter sich abzusperren. Doch genüge nicht schon jede Nachlässigkeit, um den Versi­che­rungs­schutz auszuschließen. Notwendig sei vielmehr " g r o b e Fahrlässigkeit", also ein "schwerer Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und ... ein nicht mehr entschuldbares Fehlverhalten des Versi­che­rungs­nehmers, das erheblich über das gewöhnliche Maß hinausgeht". Die Versicherte müßte sich so sorglos oder rücksichtslos verhalten haben, daß man sich wegen ihres Leichtsinns geradezu "an die Stirn schlagen" muß. Von einem so groben Sorgfalts­verstoß könne jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.

Die Klägerin hatte die Wohnungstür zwar nicht versperrt, aber immerhin ins Schloß fallen lassen. Bei dem Schloß handelte es sich um ein Schnappschloß. Die Tür konnte somit von außen nicht ohne weiteres geöffnet werden, sondern nur mit Gewalt. Darüber hinaus war die Hauseingangstür in den Abendstunden gewöhnlich verschlossen. Zudem lag die Wohnung nicht etwa in einem einsamen Haus oder in einem anonymen Hochhaus, sondern im dritten Stock eines Mehrfa­mi­li­en­hauses, wo jeder jeden kennt. Als die Klägerin gegen 21 Uhr das Haus verließ, waren die meisten Mitmieter noch auf. Ein unbekannter Eindringling mußte also damit rechnen, die Aufmerksamkeit der übrigen Hausbewohner zu erregen. Vor allem aber wollte die Klägerin ihre Wohnung nicht für viele Stunden oder gar tagelang verlassen, sondern nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit, nämlich zwei oder drei Stunden. Daß es dann doch etwas länger werden würde als geplant, war nicht absehbar. Im übrigen steht nicht einmal fest, ob die verspätete Rückkehr den Diebstahl überhaupt begünstigt hatte; denn es ist nicht bekannt, ob die Einbrecher bereits vor oder erst nach dem ursprünglich geplanten Rückkehr­zeitpunkt in die Wohnung eindrangen.

Unter diesen Umständen, so die OLG-Richter, wäre es überzogen, das zugegeben nicht gerade sorgfältige Verhalten der Klägerin bereits als "grob fahrlässig" einzustufen.

Mit dieser Bewertung waren die Weichen für die Entscheidung gestellt: Die Versi­che­rungs­ge­sell­schaft kann sich nicht auf Leistungs­freiheit wegen groben Mitverschuldens berufen. Vielmehr ist sie verpflichtet, die Klägerin für den Verlust der Wertsachen und die Beschädigung der Wohnungs­ein­richtung vertragsgemäß zu entschädigen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Nürnberg

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