14.11.2024
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Oberlandesgericht Nürnberg Urteil23.10.1997

Unfallflucht gefährdet den Versi­che­rungs­schutzLeistungs­freiheit der Fahrzeug­ver­si­cherung wegen Verletzung der Aufklä­rungs­pflicht

Fahrerflucht ist nicht nur strafbar, sondern gefährdet auch den Versi­che­rungs­schutz. Wer sich nach einem Verkehrsunfall unerlaubt von der Unfallstelle entfernt, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, setzt also nicht nur seinen Führerschein aufs Spiel, sondern auch seinen Entschä­di­gungs­an­spruch gegen die Kasko­ver­si­cherung. Und dieser zivilrechtliche Verlust kommt oft weit teurer zu stehen als die straf­recht­lichen Folgen.

So geschehen in einem Fall, über den das Oberlan­des­gericht Nürnberg zu entscheiden hatte. Im Strafverfahren wegen Unfallflucht war der Angeklagte noch recht glimpflich davongekommen: Zusätzlich zum Entzug der Fahrerlaubnis mußte er wegen seiner eher bescheidenen Einkom­mens­ver­hältnisse nur 1.600 DM Geldstrafe bezahlen. Finanziell wesentlich härter trafen ihn da schon die versi­che­rungs­recht­lichen Folgen seines Fehlverhaltens: Der Autofahrer muß jetzt nicht nur seinen eigenen Schaden in Höhe von 30.649 DM endgültig abschreiben, sondern muß sich obendrein noch mit 1.000 DM am Schaden des Unfallgegners beteiligen. Ganz zu schweigen von den Kosten seines in zwei Instanzen verlorenen Prozesses; für sie wird der unterlegene Kläger wohl nochmals mit einem fünfstelligen Betrag zur Kasse gebeten.

Der 52 Jahre alte Autofahrer war kurz vor Mitternacht aus unerfindlichen Gründen auf die Gegenfahrbahn geraten und dort gegen einen entge­gen­kom­menden PKW geprallt. Bei dem Unfall wurde er am Kopf verletzt; an beiden Fahrzeugen entstand erheblicher Sachschaden. Trotz – oder wegen? – des Unfalls zog es der Kläger vor, das Weite zu suchen. Zunächst wollte er mit dem beschädigten Auto wegfahren. Als ihm das nicht gelang, stieg er aus und rannte in den Wald. Stundenlang blieb er unauffindbar. Erst bei Morgengrauen kehrte er nach Hause zurück. Die Polizei, die ihn inzwischen in seiner Wohnung aufsuchen wollte, mußte unverrichteter Dinge wieder abziehen. Erst eineinhalb Tage nach dem Unfall meldete er sich schließlich mehr oder weniger freiwillig bei der Polizei­dienst­stelle.

In der Folgezeit kam es zu einem Strafverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 DM und entzog ihm für mehrere Monate die Fahrerlaubnis.

Damit war die Angelegenheit für den Unfall­ve­r­ur­sacher aber noch nicht ausgestanden. Seine Versicherung weigerte sich nämlich, für den Schaden an seinem eigenen Fahrzeug in Höhe von 30.649 DM aufzukommen. Im Gegenteil, sie verlangte im Regreßweg, er solle sich mit 1.000 DM am Schaden des Unfallgegners beteiligen. Begründung: Durch sein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort habe der Versi­che­rungs­nehmer gegen seine vertragliche Aufklä­rungs­pflicht verstoßen.

Das Oberlan­des­gericht Nürnberg gab der Versicherung im Ergebnis recht. Zwar kreideten die Richter dem Autofahrer weniger das Entfernen vom Unfallort selbst an. Es könne durchaus sein, daß der Angeklagte unmittelbar nach dem Unfall noch unter Schockwirkung stand und für sein Fehlverhalten nicht voll verantwortlich war.

Vorzuwerfen sei ihm aber, daß er sich nicht wenigstens nach Abklingen seiner Benommenheit sofort bei der Polizei gemeldet habe. Statt dessen habe er damit über einen Tag gewartet. In diesem unangemessen langen Hinauszögern sahen die OLG-Richter einen schweren Verstoß gegen die Pflicht, nach einem Unfall an der Aufklärung des Geschehens mitzuwirken.

Nach § 7 AKB (= Allgemeine Bedingungen für die Kraft­fahrt­ver­si­cherung) sind Versi­che­rungs­nehmer "verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann." Im konkreten Fall wäre die Mitwirkung des Klägers vor allem deshalb geboten gewesen, weil das auf den ersten Blick unerklärliche Abkommen von der Fahrbahn auf Gründe schließen ließ, die in seiner Person liegen konnten (z.B. Alkohol).

Die Verletzung der Aufklä­rungs­pflicht kann versi­che­rungs­rechtlich schwerwiegende Folgen haben.

Im Bereich der Kasko­ver­si­cherung droht dem Versi­che­rungs­nehmer bei einem groben oder gar - wie hier - vorsätzlichen Fehlverhalten der volle Verlust seines eigenen Entschä­di­gungs­an­spruchs. Im Bereich der Kfz-Haftpflicht­ver­si­cherung muß er sich darüber hinaus am Fremdschaden beteiligen, in der Regel mit bis zu 1.000 DM, bei besonders schwerwiegendem Verschulden sogar mit bis zu 5.000 DM.

Stichhaltige Gründe, den Kläger ausnahmsweise von den Folgen seines Fehlverhaltens zu verschonen (wie in einem vom Landgericht Nürnberg-Fürth entschiedenen Sonderfall, s.u.), lagen nicht vor. Das OLG Nürnberg billigte deshalb den Standpunkt der Versicherung, den Eigenschaden des Klägers nicht zu ersetzen und ihn obendrein mit 1.000 DM am Fremdschaden zu beteiligen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Nürnberg

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