Oberlandesgericht Nürnberg Urteil19.10.2016
Zum Anscheinsbeweis bei Kollision zweier in Küstennähe vor Anker liegender Segelyachten bei WetterwechselAnscheinsbeweis zur unzureichenden Sicherung und Verschulden der Besatzung des in Bewegung befindlichen Schiffes
Treibt ein vor Anker liegendes Schiff ab und stößt mit einem anderen Schiff zusammen, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der sogenannte Ankerlieger unzureichend gesichert war. Zudem spricht ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden der Besatzung des in Bewegung befindlichen Schiffes, wenn es mit einem Ankerlieger kollidiert. Dies gilt auch für Unfälle auf dem offenen Meer und bei stürmischer Wetterlage. Dies hat das Oberlandesgericht Nürnberg entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2011 kam es in einer kroatischen Bucht zu einem Zusammenstoß zweier deutscher Segelyachten. Die beiden Yachten ankerten in einem Abstand von etwa 300 - 350 m voneinander entfernt, als es zu einem Wetterumschwung kam. Bei stürmischem Wind löste sich der Anker einer der Yachten, wodurch sie von der Ankerstelle wegdriftete und mit der anderen Yacht kollidierte. Deren Eigentümer klagte anschließend gegen den Eigentümer der anderen Yacht auf Zahlung von Schadensersatz. Der genaue Unfallhergang war zwischen den Parteien streitig.
Landgericht weist Schadensersatzklage ab
Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies die Schadensersatzklage ab. Seiner Auffassung nach habe der Kläger keine Pflichtverletzung des Beklagten nachweisen können. Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises verneinte das Gericht, da dies nur bei Unfällen in Binnengewässern in Betracht komme. Gegen die Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.
Oberlandesgericht bejaht Anwendbarkeit der Grundsätze des Anscheinsbeweises
Das Oberlandesgericht Nürnberg hob die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Fall zur Neuentscheidung zurück. Das Landgericht habe nämlich fehlerhaft die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises verneint.
Anscheinsbeweis zur unzureichenden Sicherung und Verschulden der Besatzung des in Bewegung befindlichen Schiffes
Im Bereich der Schifffahrt könne ein Anscheinsbeweis für eine unzureichende Sicherung des abtreibenden Schiffes und für ein schuldhaftes nautisches Fehlverhalten bestehen, so das Oberlandesgericht. Treibe ein Ankerlieger ab und richte einen Schaden an, so bestehe ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass der Ankerlieger unzureichend gesichert gewesen sei. Zudem spreche bei Kollision eines in Bewegung befindlichen Schiffes mit einem Ankerlieger ein Anscheinsbeweis für ein ursächliches Verschulden der Besatzung des in Bewegung befindlichen Schiffes.
Anscheinsbeweis gilt für Unfälle auf offenem Meer und bei stürmischer Wetterlage
Die beiden Anscheinsbeweise gelten nach Ansicht des Oberlandesgerichts auch für Unfälle auf dem offenen Meer. Denn es mache keinen Unterschied, ob das Abtreiben eines Schiffes bzw. eine Kollision auf einem Binnengewässer oder dem offenen Meer stattfinde. Darüber hinaus gelten die Grundsätze auch bei stürmischer Wetterlage.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.02.2019
Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg, ra-online (vt/rb)