22.11.2024
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Dokument-Nr. 2995

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Oberlandesgericht Nürnberg Urteil18.04.1996

Oblie­gen­heits­ver­letzung durch falsche AngabenTrotz lückenhafter Schadensanzeige ausnahmsweise kein Ausschluss des Versi­che­rungs­schutzes

Falsche Angaben des Versicherten in der Schadensanzeige führen zwar oft zum Ausschluß des Versi­che­rungs­schutzes, aber nicht immer. Auf Leistungs­freiheit kann sich die Versi­che­rungs­ge­sell­schaft nur dann berufen, wenn die einschlägigen Fragen im Antragsvordruck eindeutig und unmiß­ver­ständlich abgefaßt sind. Ein Werturteil darf hierbei vom Versicherten nicht verlangt werden.

Die Frage, von welchen Ärzten der Verletzte "in den letzten Jahren vor dem Unfall" behandelt wurde, genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist nicht klar genug formuliert und deshalb unzulässig. Das entschied der Versi­che­rungssenat des Oberlan­des­ge­richts Nürnberg. Die Wendung "in den letzten Jahren" lasse den Verletzten im unklaren, auf welchen genauen Zeitraum sich seine Antwort beziehen soll.

Im konkreten Fall lag die Vorerkrankung bereits 14 Jahre zurück. Der versicherte Handwerks­meister hatte Ende der 70er Jahre als Jugendlicher einen Arbeitsunfall erlitten. Offenbar als Spätfolge dieser Verletzung entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Pseudoarthrose. Subjektiv fühlte sich der Mann jedoch wohl und verspürte keine Schmerzen.

Als er Jahre später einen neuen Unfall erlitt, bestand nach seiner Meinung kein Zusammenhang mit dem lange zurückliegenden Unfall. Vermutlich deshalb hielt er es nicht für nötig, in der Schadensanzeige den aus seiner Sicht längst erledigten Arbeitsunfall und die damalige ärztliche Behandlung zu erwähnen, - eine sehr gewagte und unvorsichtige Entscheidung, die beinahe ins Auge gegangen wäre. Ein medizinischer Sachver­ständiger stellte nämlich fest, daß die jetzt geltend gemachten Beschwerden nicht allein dem neuen Unfall zuzuschreiben waren, sondern zu 20 % auch dem früheren Arbeitsunfall. Für die Versi­che­rungs­ge­sell­schaft eine klare "Oblie­gen­heits­ver­letzung": Ihr Versi­che­rungs­nehmer hatte in seiner Schadensanzeige schuldhaft einen Umstand verschwiegen, der für die Beurteilung des Schadens wesentlich war.

Daß der Handwerks­meister gleichwohl seinen Anspruch behielt, verdankt er dem Umstand, daß die zwei vorschnell mit "Nein" beantworteten Vordruck-Fragen nach Meinung des Gerichts allzu verschwommen formuliert waren:

Die erste Frage "Von welchen Ärzten ist der Verletzte in den letzten Jahren vor dem Unfall behandelt worden" hielt das OLG Nürnberg deshalb für unzulässig, weil sie dem Versicherten ein Werturteil abverlangt, nämlich wie lange der Zeitraum "in den letzten Jahren" zurückreicht.

Auf die ergänzende Frage "Hat der Verletzte schon früher Unfälle erlitten ?" habe die Versicherung offenbar selbst keine umfassende Antwort erwartet, befand das Gericht. Die Richter folgerten dies aus der äußeren Aufmachung des Vordrucks. Dieser sehe für die Antwort lediglich eine einzige Zeile vor, obwohl die Frage - wörtlich genommen - die gesamte Lebenszeit des Versicherten erfasse bis zurück zu seiner Geburt.

Nutznießer dieser strengen Anforderungen an die Formulierung des Fragenkatalogs ist der Versi­che­rungskunde: Trotz der lückenhaften Auskünfte in seiner Schadensanzeige behält er seinen Anspruch auf Unfal­l­ent­schä­digung. Das Oberlan­des­gericht Nürnberg verurteilte deshalb das Versi­che­rungs­un­ter­nehmen zur Zahlung der restlichen Versi­che­rungssumme in Höhe von 21.840 DM.

Quelle: ra-online, OLG Nürnberg

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