15.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 15977

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Urteil03.08.2012Oberlandesgericht Köln20 U 98/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • r+s 2013, 217Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2013, Seite: 217
  • ZD 2013, 191Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2013, Seite: 191
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Vorinstanz:
  • Landgericht Bonn, Urteil04.05.2012, 9 O 60/12
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Köln Urteil03.08.2012

Recht zur verdeckten Observation des Versicherungs­nehmers bei Verdacht auf vorsätzliches vertrags­widriges VerhaltenTatsächliche konkrete Anhaltspunkte müssen vorliegen

Eine Versicherung hat das Recht bei Vorliegen eines Verdachts auf vorsätzliches vertrags­widriges Verhalten des Versicherungs­nehmers, eine verdeckte Observation durchzuführen. Es müssen jedoch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen. Dies hat das Oberlan­des­gericht Köln entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Zusammenhang mit der Leistung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung wurde dem Versi­che­rungs­nehmer ein Fragebogen zugesandt. Darin gab er an, dass seine berufliche Tätigkeit aus Bürobe­spre­chungen besteht, mit einem Stundenaufwand von etwa zwei Stunden täglich an 2-3 Tagen in der Woche. Darüber hinaus gab der Versi­che­rungs­nehmer im Fragebogen an, folgende Beschwerden aufzuweisen: Stark eingeschränkte Gehstrecken, Schmerzen in Rücken und Beinen, Kopfschmerzen, fehlende geistige und körperliche Belastbarkeit. Über eine Inter­net­re­cherche erfuhr die Versicherung hingegen, dass der Versicherte an mehreren Motorradrennen teilgenommen hatte. Auf der Homepage der Firma und im Handelsregister wurde der Versi­che­rungs­nehmer zudem noch als Geschäftsführer benannt. Aufgrund dieser Informationen gab sie die Observation des Versicherten in Auftrag. Nachdem der Versi­che­rungs­nehmer davon erfuhr, wendete er sich mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Obser­vie­rungs­maß­nahmen. Er war der Meinung, durch die verdeckte Observierung sei er in seinem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht verletzt worden. Ihm stehe daher ein Unter­las­sungs­an­spruch zu. Das Landgericht Bonn wies den Antrag zurück. Dagegen richtete sich die Berufung des Versi­che­rungs­nehmers.

Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Verfügung war zulässig

Das Oberlan­des­gericht Köln entschied gegen den Versi­che­rungs­nehmer. Die Zurückweisung des auf Unterlassen der Obser­vie­rungs­maß­nahmen gerichteten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zulässig. Denn der Versi­che­rungs­nehmer habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Observierung.

Grundlose Observierung unzulässig

Im Versi­che­rungsrecht herrsche das Gebot der Rücksichtnahme, so das Oberlan­des­gericht weiter. Der Versi­che­rungs­nehmer habe daher grundsätzlich Anspruch darauf, dass sein allgemeines Persön­lich­keitsrecht vom Versi­che­rungsgeber beachtet werde. Er sei aber auch dazu verpflichtet, umfassend und wahrheitsgemäß über vertrags­er­hebliche Umstände zu informieren. Demgegenüber müsse der Versicherer die berechtigten Interessen des Versi­che­rungs­nehmers wahren. Somit sei eine Überprüfung der Auskünfte des Versi­che­rungs­nehmers mit verdeckten Ermitt­lungs­me­thoden wie der Observierung grundsätzlich unzulässig. Denn kein Vertragspartner müsse es hinnehmen, grundlos bespitzelt zu werden.

Ausnahme nur bei Verdacht eines vorsätzlich vertrags­widrigen Verhaltens

Etwas anderes gelte jedoch nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts dann, wenn der begründete Verdacht für ein vorsätzlich vertrags­widriges Verhalten des Versi­che­rungs­nehmers besteht. Für den Verdacht genüge nicht ein bloßer Zweifel an der Richtigkeit der Angaben. Vielmehr müssen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine Pflicht­ver­letzung vorliegen. Insbesondere bei Verdacht eines arglistigen Vorgehens müsse es dem Versicherer möglich sein, durch verdeckte Ermittlungen Erkenntnisse zu gewinnen. Denn es könne die Gefahr bestehen, dass der Versicherte Beweismittel unterdrückt oder auf andere Weise sein vertrags­widriges Verhalten verschleiert. Bei der Art und dem Umfang der verdeckten Ermittlungen müsse zudem der Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz beachtet werden.

Allgemeines Persön­lich­keitsrecht wurde nicht verletzt

Nach diesen Grundsätzen habe nach Ansicht des Gerichts keine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts des Versicherten vorgelegen. Der Versicherer und die Versi­che­rungs­ge­mein­schaft haben ein berechtigtes Interesse daran, sich vor ungerecht­fer­tigter Inanspruchnahme von Versi­che­rungs­leis­tungen durch einzelne Versicherte zu schützen. Der Versicherer sei daher berechtigt gewesen, Verdachts­mo­menten nachzugehen. Der durch konkrete Anhaltspunkte untermauerte Verdacht auf einen möglicherweise anzunehmenden unberechtigten Leistungsbezug, rechtfertige selbst eine längerfristige Observation. Sie sei daher auch nicht unver­hält­nismäßig gewesen.

Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte lagen vor

Aus Sicht des Gerichts haben konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen, die ein vorsätzliches vertrags­widriges Verhalten des Versicherten begründen konnten. Die Inter­net­re­cherchen der Versicherung haben es nahe gelegt, dass der Versicherte zum einen tatsächlich in einem weitaus größeren Umfang als im Fragebogen mitgeteilt für das Unternehmen tätig war. Zum anderen seien die Angaben zu seiner körperlichen und geistigen Leistungs­fä­higkeit im Fragebogen mit der Teilnahme an Motorradrennen nicht vereinbar gewesen. Denn solche Rennen stellen eine hohe Anforderung an die Konzentration und körperliche Belastung des Fahrers dar.

Quelle: Oberlandesgericht Köln, ra-online (vt/rb)

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