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Oberlandesgericht Köln Urteil18.05.2007
Stadt Köln muss Schadensersatz wegen verspäteter Steuerfestsetzung zahlenStadt ist nicht zu allgemeiner steuerlicher Beratung verpflichtet
Das Oberlandesgericht Köln hat die Stadt Köln verurteilt, 176.700,- Euro Schadenersatz an den früheren Generalmusikdirektor und Chefdirigenten des Gürzenich-Orchesters, James Conlon, zu zahlen. Daneben wurde festgestellt, dass die Stadt weitere Schäden zu ersetzen hat, die dem Orchesterchef durch eine verspätete Steuerfestsetzung entstanden sind. Zum überwiegenden Teil wurde die Klage des Dirigenten aber abgewiesen, der die Zahlung von insgesamt 1.190.000,- Euro sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Stadt Köln für weitere Steuerschäden verlangt hatte.
James Conlon - amerikanischer Staatsbürger mit Hauptwohnsitz in New York - war ab der Spielzeit 1989/90 bis 2002 zunächst als Chefdirigent der Oper, dann als Generalmusikdirektor und Chefdirigent des Gürzenich-Orchesters der Stadt Köln tätig. Er hatte im Prozess Schadensersatz wegen ihm entstandener Steuernachteile verlangt, die sich daraus ergeben hatten, dass er von November 1989 bis April 1998 eine Wohnung in Köln gemietet hatte und damit nicht mehr als sog. "Steuerausländer" der beschränkten Steuerpflicht unterlag, sondern in Deutschland wie jeder andere "Inländer" unbeschränkt steuerpflichtig wurde und sein gesamtes Einkommen zu versteuern hatte, unabhängig davon, in welchem Land dieses erzielt wurde. Er warf der Stadt Köln vor, ihn nicht rechtzeitig über die steuerlichen Folgen der Wohnungsanmietung aufgeklärt zu haben, so dass er nicht rechtzeitig eine günstigere steuerliche Gestaltung seiner Tätigkeit habe wählen können. Der damalige Kulturdezernent der Beklagten, Peter Nestler, habe ihn im Gegenteil sogar gedrängt, eine Wohnung in Köln anzumieten und so seine Verbundenheit mit der Stadt zu dokumentieren. Daneben hatte Conlon der Stadt Köln vorgeworfen, ihn nicht über die für ihn nachteiligen Folgen des Jahressteuergesetzes 1996 aufgeklärt zu haben, wodurch für den Dirigenten auch die günstigere Möglichkeit eines pauschalen Steuerabzuges wegfiel.
Das Landgericht Köln hatte die Klage in erster Instanz komplett abgewiesen. Der 20. Zivilsenat bejahte einen Schadensersatzanspruch des Dirigenten jetzt nur insoweit, als die Stadt Köln ihren Generalmusikdirektor in den Jahren 1991 bis 1995 selbst als Steuerausländer angesehen und deshalb einen zu niedrigen Lohnsteuerabzug von dessen Einkünften vorgenommen hat. Dabei wurden nur die Schäden zuerkannt, die aus der nachträglichen Steuerfestsetzung und deren verspäteter Zahlung herrühren, insbesondere Nachzahlungs- und Stundungszinsen, die das Finanzamt festgesetzt hatte. Weitergehende Ansprüche auf Ersatz der höheren Steuerlast aus seiner Stellung als Steuerinländer und wegen unzureichender steuerlicher Beratung oder Information im Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung in Köln wies der Senat zurück.
Zur Begründung der Klageabweisung führte der Senat aus, die Stadt sei dem Chefdirigenten gegenüber nicht zu einer allgemeinen steuerlichen Beratung verpflichtet gewesen. Vielmehr sei die richtige Versteuerung seiner Einnahmen allein dessen Sache gewesen. Er hätte sich über die Fragen im Zusammenhang mit den im Ausland erzielten Einkünften informieren und ggfs. beraten lassen müssen. Hierzu sei Conlon ohne weiteres in der Lage gewesen, habe er doch hinsichtlich seiner Einkünfte in Frankreich und den USA ebenfalls steuerlichen Rat eingeholt. Die Stadt hafte auch nicht wegen der Erteilung einer falschen Auskunft. Auch wenn die Initiative zur Anmietung der Wohnung von der Stadt oder ihrem früheren Kulturdezernenten ausgegangen sein sollte, sei es doch die eigene Entscheidung des Dirigenten gewesen, ob er in Köln eine Wohnung anmieten wollte. Deren steuerliche Folgen habe er selbst überdenken müssen. Auf eine möglicherweise falsche Auskunft Peter Nestlers habe Conlon nicht vertrauen dürfen, da der Kulturdezernent erkennbar keine steuerliche Beratung geschuldet habe und dafür auch weder zuständig noch kompetent gewesen sei.
Eine Schadensersatzpflicht der Stadt Köln ergebe sich aber daraus, dass sie wie jeder andere Arbeitgeber die Lohnsteuer von ihrer Lohnzahlung korrekt einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen habe, was hier über Jahre nicht geschehen war und zu den erheblichen nachträglichen Steuerfestsetzungen gegen den Dirigenten geführt hatte. Der Senat ging davon aus, dass den zuständigen Mitarbeitern des Personalamtes bekannt gewesen sei, dass Conlon eine Wohnung in Köln gehabt habe. Die Richter stellten einen Schaden in Höhe von 414.434,17 Euro fest, der aber durch eine von der Stadt Köln erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung von 237.737,00 Euro teilweise erloschen war, so dass noch 176.697,17 Euro für Conlon verblieben. Bei der Gegenforderung handelte es sich um eine Zahlung der Stadt auf die später festgesetzte Steuerschuld des Dirigenten, für die der Arbeitgeber nach dem Einkommensteuergesetz mithaftet, wenn er die Lohnsteuer nicht korrekt abgeführt hat.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.05.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Köln vom 21.05.2007
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