14.11.2024
14.11.2024  
Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 7201

Drucken
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Köln Urteil23.12.2008

Fotomontage von Präsidentin des Bundes der Vertriebenen mit SS-Offizier und Ordensritter gerichtlich verbotenVerletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts und der Ehre

Ein von der "Polnischen Treuhand" veröf­fent­lichtes Plakat, auf der die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, neben einem SS-Offizier und einem Ordensritter sowie im Zusammenhang mit einem Hitlerzitat abgebildet ist, darf nicht mehr publiziert werden. Das Oberlan­des­gericht Köln wies die Berufung der "Polnischen Treuhand e. V." zurück und bestätigte damit ein gleichlautendes Urteil des Landgerichts Köln vom 16.04.2008. Die Veröf­fent­lichung sei nicht mehr von der Meinung­s­äu­ße­rungs­freiheit gedeckt und verletze Frau Steinbach und den Bund der Vertriebenen (BdV) in ihrer Ehre sowie in ihrem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht.

Der BdV und dessen Präsidentin Erika Steinbach hatten von der "Polnischen Treuhand" verlangt, die Veröf­fent­lichung der umstrittenen Fotomontage zu unterlassen. Unter dem Bildnis mit Frau Steinbach, einem SS-Offizier und einem Ordensritter wird der folgende Text veröffentlicht: "Es steht vor uns das letzte Problem, dass gelöst werden muss und gelöst werden wird. Es sind die letzten Vermö­gens­rü­ck­ga­be­for­de­rungen, die wir in Europa zu stellen haben, aber es sind die Forderungen, von denen wir nicht abgehen." Hierbei handelt es sich um ein Zitat von Adolf Hitler, das insoweit abgewandelt wurde, als der Begriff "Terri­to­ri­a­l­ansprüche" durch den Begriff "Vermö­gens­rü­ck­ga­be­for­de­rungen" ersetzt wurde. Die Polnische Treuhand war 2005 als Reaktion auf die Aktivitäten der Alteigentümer-Institution "Preußische Treuhand" gegründet worden. Die "Polnische Treuhand" zielt darauf, mögliche Eigentumsklagen von Bundesbürgern in den ehemaligen deutschen Ostgebieten auf rechtlichem Weg zu verhindern. Der BdV und seine Präsidentin haben sich in der Vergangenheit ausdrücklich von der "Preußischen Treuhand" und deren Zielen distanziert. Frau Steinbach und die Vertrie­be­nen­or­ga­ni­sation haben im Prozess dahin argumentiert, die Veröf­fent­lichung verletze ihr allgemeines Persön­lich­keitsrecht. Ihre Gleichsetzung mit natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Ideen, SS-Methoden und einem Hitlerzitat sei auch nicht durch das politische Engagement der "Polnischen Treuhand" gerechtfertigt. Diese wiederum war der Auffassung, die Kläger müssten die Veröf­fent­lichung der Montage dulden, weil sie unter den Schutz der Meinung­s­äu­ße­rungs­freiheit nach Art. 5 Grundgesetz falle.

Diesem Rechts­s­tandpunkt hat sich der Senat nicht angeschlossen. Zwar sei Erika Steinbach sowohl in ihrer Funktion als Präsidentin des BdV als auch als Mitglied des Bundestages eine sogenannte relative Person der Zeitgeschichte, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehe und mit zahlreichen öffentlichen Äußerungen hervorgetreten sei. Gleichwohl verletze die Veröf­fent­lichung des Plakats ihre berechtigten Interessen. Die Abbildung Steinbachs leicht versetzt vor einem SS-Offizier und einem Kreuzritter könne von einem objektiven Betrachter nur so verstanden werden, dass Frau Steinbach die gleichen - unzweifelhaft verfehlten - Ziele des Dritten Reiches verfolge, was durch das nur leicht abgewandelte Zitat von Adolf Hitler verstärkt werde. Damit habe die "Polnische Treuhand" unmiss­ver­ständlich zum Ausdruck gebracht, dass aus ihrer Sicht die Forderungen und Ziele des BdV und seiner Präsidentin im Hinblick auf die Frage der Vermö­gens­rü­ck­ga­be­for­de­rungen auf einer Ebene stehen mit den durch Hitler erhobenen Forderungen, das Territorium des Dritten Reiches völker­rechts­widrig und durch kriegerische Ausein­an­der­setzung auszudehnen. Mit dem Gedanken an die Kriegs­ver­brechen des Natio­nal­so­zi­a­lismus seien für den unvor­ein­ge­nommenen Betrachter des Zeitgeschehens aber untrennbar der Gedanke an die Verfolgung und Ausrottung politischer Gegner, Massenmorde an Juden und Führung von Angriffskriegen verbunden. Das Plakat bringe jedenfalls nicht nur - als politische Aussage - zum Ausdruck, Frau Steinbach und die von ihr vertretene Vertrie­be­nen­or­ga­ni­sation verhalte sich in der Frage der "Ostgebiete" feindselig und aggressiv. Die deutlich weitergehende Gleichstellung mit Zielen, Ansprüchen sowie kriegerischen Handlungen der Kreuzritter und Natio­nal­so­zi­a­listen sei nicht mehr durch die Meinung­s­äu­ße­rungs­freiheit gedeckt, sondern verletze Frau Steinbach und den BdV in ihrer Ehre und ihrem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass in der öffentlichen politischen Ausein­an­der­setzung auch scharfe, überspitzte und polemische Meinung­s­äu­ße­rungen bis an die Grenze der Schmähkritik zulässig sind. Nach seiner Auffassung sprach schon vieles dafür, dass die strittige Montage hier eine Schmähung von Frau Steinbach darstellt, weil sie durch die Gleichstellung mit natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Zielen erheblich persönlich diffamiert und herabgewürdigt werde. Selbst wenn man aber noch einen sachlichen Bezug der Veröf­fent­lichung annehmen wolle, ergebe die dann gebotene Abwägung zwischen der Meinung­s­äu­ße­rungs­freiheit der "Polnischen Treuhand" und dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht der Betroffenen, dass die Redefreiheit hier zurückzutreten habe. Das Plakat habe erhebliche Rückwirkungen auch auf die persönliche Integrität Frau Steinbachs. Für einen Politiker sei es angesichts des historischen Bedeu­tungs­gehalts in Deutschland in hohem Maße herabwürdigend, in nahe Verbindung zum Natio­nal­so­zi­a­lismus und zu Adolf Hitler gebracht bzw. mit diesem gleichgestellt zu werden. Sachliche Gründe dafür, dass dieser Zusammenhang hier hergestellt werden dürfte, habe die "Polnische Treuhand" nicht vorgetragen. Es komme auch nicht darauf an, wie Frau Steinbach und die von ihr vertretene Organisation in Polen gesehen würden; maßgebend sei, wie ein objektiver Betrachter die Veröf­fent­lichung im Inland wahrnimmt. Schließlich sei das Plakat auch nicht als Satire gerechtfertigt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Köln vom 23.12.2008

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7201

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI