21.11.2024
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Dokument-Nr. 688

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Oberlandesgericht Köln Urteil28.10.2004

OLG Köln entscheidet im "Gen-Milch"-Streit zwischen der Unter­neh­mens­gruppe Theo Müller und Greenpeace

Im einstweiligen Verfü­gungs­ver­fahren zwischen der Unter­neh­mens­gruppe Theo Müller als Klägerin und der beklagten Umwelt­schut­z­or­ga­ni­sation Greenpeace e. V., bei dem es im Kern um die Verwendung des Begriffs „Gen-Milch“ in unter­schied­lichen Kundgabeformen ging, hatte die Berufung von Greenpeace gegen das erstin­sta­nzliche Urteil des LG Köln vom 23.06.2004 (28 O 289/04) vor dem OLG Köln teilweise Erfolg.

Die Klägerin vertreibt als führendes Unternehmen der Milchindustrie Produkte u. a. der Marken „Müller“ und „Weihenstephan“. Die zum Konzernverband gehörenden Einzel­un­ter­nehmen verarbeiten in ihren Produkten zumindest auch Milch von Kühen, die gentechnisch veränderte Futtermittel erhalten haben. Eine seit April 2004 in Deutschland geltende EU-Verordnung sieht insoweit keine Kennzeich­nungs­pflicht vor. Die beklagte Organisation Greenpeace, die seit Ende 2003 einen Einkaufs­ratgeber „Essen ohne Gentechnik“ herausgibt, hält dies für nicht tragbar. Nachdem die Klägerin es abgelehnt hatte, auf die Verwendung gentechnisch veränderter Futtermittel zu verzichten und ihren Lieferanten entsprechende Auflagen zu machen, wies Greenpeace seit Ende April 2004 im Internet in diversen Beiträgen auf diesen Umstand hin. Die Beiträge trugen Überschriften wie z. B. „Gen-Milch, oder was?“, Gen-Milch-Skandal bei der Müller-Partei ?“ und „Alles Gen, Herr Müller, oder was?“. Darüber hinaus verfremdete sie auf ihrer Internetseite Elemente aus Werbekampagnen der Klägerin in Form einer Zeichen­t­rickfolge unter der Überschrift „Alles Gen-Milch...oder was?“ Bei mehreren Aktionen im April und Mai 2004 führten ihre Aktivisten Schilder bzw. Slogans wie etwa „Müller-Milch: Alles Gen-Milch, oder was?“ mit sich. Mitte Mai 2004 versahen Greenpeace-Anhänger in 50 Städten in Supermärkten angebotene Produkte der Klägerin mit Banderolen oder Aufklebern wie „Gen-Milch: Hände weg!“ oder „Gen-Milch: Igittigitt“.

Das LG Köln hatte Greenpeace antragsgemäß vor allem verboten, in Bezug auf die Produkte der Klägerin den Begriff „Gen-Milch“ zu verwenden, insbesondere in Äußerungen wie „Gen-Milch...oder was?“, die in Geschäften angebotenen Produkte der Klägerin mit Banderolen zu versehen und den Zeichen­t­rickfilm zu verbreiten. Den wesentlichen Punkt des Streits bildet dabei die Frage nach dem Verständnis des Begriffs „Gen-Milch“. Nach Auffassung des LG Köln liegt darin der tatsächliche Kern, die Milch, die von Kühen stamme, die gentechnisch verändertes Futter gefressen hätten, weise eine von anderer Milch abweichende Zusammensetzung auf. Das sieht das OLG Köln in seinem heute verkündeten Urteil grundsätzlich anders. Danach ist es Greenpeace jetzt nur noch untersagt, die in Geschäften angebotenen Produkte der Klägerin mit „Gen-Milch“-Aufklebern oder dergleichen zu versehen und im Internet oder anderen Medien einen Zeichen­t­rickfilm zu verbreiten bzw. sog. E-Cards zum Download anzubieten, soweit darin mit Schlagworten wie „Alles Gen-Milch...oder was?“ an Werbekampagnen oder Werbeträger der Klägerin angeknüpft wird. Die weitergehenden Anträge der Klägerin wurden zurückgewiesen:

Wegen der Verwendung des Begriffs „Gen-Milch“ in Bezug auf Produkte der Klägerin in mehreren Veröf­fent­li­chungen auf der Internetseite von Greenpeace sowie den darin enthaltenen Aufforderungen, die Produkte der Klägerin zu meiden, stehe der Klägerin kein Unter­las­sungs­an­spruch zu. Die in Rede stehenden Beiträge enthielten weder Tatsa­chen­be­haup­tungen noch Schmähkritik. Entgegen der Auffassung des LG äußere Greenpeace darin weder direkt noch indirekt, die von der Klägerin verwendete Milch enthalte selbst Bestandteile gentechnisch veränderten Materials. Der Begriff „Gen-Milch“ sei entgegen der Auffassung des LG als solcher mehrdeutig. Er müsse nicht zwingend in dem Sinne verstanden werden, dass die Milch gentechnisch verändert sei, sondern lasse sich auch dahin deuten, dass ein „von Gentechnik betroffenes“ Produkt vorliege. Zudem sei neben dem ironischen und parodierenden Unterton der jeweiligen Überschriften auch der Zusammenhang mit dem nachfolgenden Text zu beachten. Darin stelle Greenpeace maßgeblich darauf ab, dass die Betriebe der Klägerin keine Kontrollen der eingesetzten Futtermittel durchführten.

Selbst wenn man aber annehme, Greenpeace wolle – aus Sicht des Durch­schnitts­lesers – zum Ausdruck bringen, Spuren genetisch veränderten Materials ließen sich in der Milch selbst nachweisen, liege keine Tatsa­chen­be­hauptung, sondern eine Meinung­s­äu­ßerung vor. Die Frage, ob Spuren des Futtermittels sich in der Milch befänden, betreffe auch aus Sicht des Durch­schnitts­lesers erkennbar einen wissen­schaft­lichen Diskus­si­onspunkt und damit eine Meinung. Ob die Verwendung gentechnisch veränderten Futters Einfluss auf die Qualität der Milch habe, könne – für jedermann offenkundig – nur anhand natur­wis­sen­schaft­licher Methoden festgestellt werden. Anders als der Staat sei der Bürger – und damit auch die beklagte Organisation – mit Rücksicht auf das Grundrecht der Meinungs­freiheit nicht gehalten, mit seiner Auffassung nach berechtigten Warnungen bis zum Vorliegen eines wissen­schaft­lichen Nachweises abzuwarten. Eine Grenze bestehe insoweit nur bei offenkundig völlig haltlosen oder wissen­schaftlich widerlegten Standpunkten; diese sei hier jedoch nicht überschritten. Ob die ablehnende Haltung von Greenpeace gegenüber gentechnisch veränderten Produkten wissen­schaftlich berechtigt erscheine, könne dagegen auf sich beruhen. So lange sie nicht wissen­schaftlich widerlegt sei, bleibe sie letztlich eine Glaubensfrage und damit eine – rechtlich geschützte – Meinung.

Durch die von ihr veranlassten Klebeaktionen in Supermärkten habe Greenpeace dagegen in unzulässiger Weise auf die Entscheidung des Konsumenten eingewirkt. Die Aufkleber setzten u. a. durch ihre schwarz-gelbe Farbe ein besonderes Gefahrenzeichen. Greenpeace mache sich eine psychologische Signalwirkung zu nutze, die jenseits der sachlichen Information auf die Kaufent­scheidung einwirken könne. Die hierdurch eintretende Gefahr der Stigmatisierung der Produkte werde in diesem Falle auch nicht durch zusätzliche äußere Informationen aufgefangen. In gleicher Weise würden durch den Internet-Zeichen­t­rickfilm und die E-Cards Rechte der Klägerin verletzt, deren Verunglimpfung jeweils im Vordergrund stehe. Greenpeace greife die Produkte der Klägerin in der Sache an ohne hinreichende Aufklärung darüber zu gewährleisten, worauf sich diese Ablehnung stütze.

Die von der Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Berufungs­gericht schriftsätzlich erklärte Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung müsse wirkungslos bleiben, weil dem Schriftsatz der Umfang der Rücknahme nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen sei.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 28.10.2004

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