21.11.2024
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Dokument-Nr. 848

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Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss08.07.2005

Vollstreck­barkeit französischer Titel trotz verletzter Gerichts­s­tands­ver­ein­barungEine deutsche Gerichts­s­tands­ver­ein­barung steht der Vollstreckung eines französischen Versäum­ni­s­urteils nicht entgegen

Der beklagte deutsche Handwerker hatte mit dem im Elsaß wohnhaften Kläger einen Vertrag über den Bau eines privaten Hallenbades abgeschlossen. In dem Vertrag waren deutsche gerichtliche Zuständigkeit und Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart. Wegen erheblicher Baumängel klagte der Kläger gegen den Handwerker auf Schadensersatz vor einem Tribunal de Grande Instance (dem Landgericht vergleichbar) in Frankreich.

Der beklagte Handwerker, dem die Klageschrift in Deutschland zugestellt worden war, ließ sich vor dem französischen Gericht nicht vertreten.

Darauf erließ das Tribunal de Grande Instance ein Versäum­ni­s­urteil, in dem es den Beklagten zur Zahlung von insgesamt Euro 27.752,08 Schadensersatz verurteilte.

Auf Antrag des französischen Klägers hat das zuständige Landgericht in Deutschland die Erteilung einer deutschen Vollstre­ckungs­klausel angeordnet und damit die Vollstreckung des Urteils in Deutschland zugelassen.

Die Beschwerde des Beklagten zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe - Senate in Freiburg - blieb ohne Erfolg. Eine Versagung der Anerkennung des Urteils kann nicht darauf gestützt werden, dass das verfah­ren­s­ein­leitende Schriftstück nicht zugestellt worden sei. Nach den Urkunden ist davon auszugehen, dass der Schuldner die Klageschrift in französischer und deutscher Fassung erhalten, aber vielleicht krank­heits­bedingt nicht zur Kenntnis genommen hat.

Die französische Entscheidung ist auch nicht wegen etwaiger Verstöße gegen gemei­n­eu­ro­pä­isches internationales Prozess- und Privatrecht als ordre public-widrig zu betrachten. Verstöße gegen Zustän­dig­keits­vor­schriften der hier maßgeblichen Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) begründen im Regelfall keinen Anerken­nungs­ver­wei­ge­rungsgrund.

Zwar hatte das französische Gericht die Regeln internationaler Zuständigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen. Auch wäre die Wirksamkeit der vereinbarten Zuständigkeit deutscher Gerichte zu prüfen gewesen.

Nach Artikel 35 Abs. 3 EuGVVO darf jedoch die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungs­mit­glieds­staats nicht nachgeprüft werden und gehören die Vorschriften über die Zuständigkeit nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public).

Ein ordre public-Verstoß lässt sich nicht auf einfache Fehlanwendung nationalen oder gemei­n­eu­ro­pä­ischen Rechts stützen und muss sich in grundlegenden rechts­s­taat­lichen Mängeln manifestieren. Solche vermochte der Senat hier nicht zu erkennen. Die Anwendung französischen Rechts statt des vereinbarten deutschen Rechts reicht nicht für einen ordre public-Verstoß. Hinzu kommt, dass der Schuldner mögliche Rechtsbehelfe in Frankreich nicht eingelegt hat, obwohl sie durchaus geeignet gewesen wären, etwaige Rechts­an­wen­dungs­mängel zu beheben.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.

Anmerkung: Wenn dieser Beschluss rechtskräftig wird, kann aus dem französischen Urteil die Zwangs­voll­streckung betrieben werden.

Art. 38 EuGVVO

(1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind.

Art. 34 EuGVVO

Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn

1. die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedsstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde;

2. dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfah­ren­s­ein­leitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig in einer Weise zugestellt worden sind, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung kein Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit hatte....

Art. 35 EuGVVO

(3) Die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungs­mit­glieds­staats darf... nicht nachgeprüft werden. Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) im Sinne des Artikel 34 Nr. 1...

Art. 45 EuGVVO

(1) Die Vollstreck­ba­r­e­r­klärung darf von einem mit einem Rechtsbehelf .....befassten Gericht nur aus einem der in Artikel 34 oder 35 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. .....

(2) Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 05.08.2005

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