18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 15248

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Urteil23.02.2012Oberlandesgericht Karlsruhe9 U 97/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2012, 519Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2012, Seite: 519
  • NJW 2012, 3447Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 3447
  • NZV 2012, 585Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2012, Seite: 585
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Vorinstanz:
  • Landgericht Konstanz, Urteil09.05.2011, 3 O 421/09 D
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil23.02.2012

Verbotenes Kraft­fahr­zeu­grennen im öffentlichen Straßenverkehr: Haftungs­aus­schluss wegen bewusster Selbst­ge­fährdung gilt nicht bei illegalen StraßenrennenTeilnahme an illegalen Straßenrennen begründet erhebliches Mitverschulden

Kommt es im Rahmen eines illegalen Straßenrennens zu einem Verkehrsunfall, so führt der Umstand, dass eine bewusste Selbst­ge­fährdung des Geschädigten vorliegt, nicht zu einem Haftungs­aus­schluss des Schädigers. Zudem begründet die Teilnahme an einem solchen Rennen ein erhebliches Mitverschulden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 2007 wurde auf einer autobahn­ähn­lichen Bundesstraße ein illegales Straßenrennen durchgeführt. Die zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit betrug 120 km/h. Der Fahrer eines VW Golf befuhr die linke Fahrbahn während der Fahrer eines Porsche Carrera die rechte Fahrbahn befuhr. Der Porschefahrer näherte sich im Laufe des Rennens einem vor ihm fahrenden Opel Astra. Als sich der Porschefahrer auf gleicher Höhe mit dem VW Golf befand und beide Fahrzeuge eine Geschwindigkeit von über 200 km/h aufwiesen, wechselte er auf die linke Spur, um den Opel zu überholen. Dabei verringerte sich der seitliche Abstand zum Golf auf etwa 30 cm. Um eine Kollision zu vermeiden, steuerte der Golffahrer sein Fahrzeug nach links. Dabei geriet er von der Fahrbahn. Bei dem Versuch wieder auf die Straße zu gelangen, verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug. Der Golf überschlug sich und prallte gegen die Böschung. Sowohl der Fahrer als auch der Beifahrer, die jeweils nicht angeschnallt waren, wurden aus dem Fahrzeug geschleudert. Der Beifahrer verstarb noch am Unfallort. Der Fahrer erlitt schwere Verletzungen. Der Golf brannte total aus. Der Golffahrer verlangte daraufhin vom Porschefahrer Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 12.500 €. Das Landgericht Konstanz verurteilte den Porschefahrer zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 € und Schadenersatz. Es bewertete das Mitverschulden des Klägers mit 40 %. Beide Parteien legten Berufung ein.

Porschefahrer verursachte Verkehrsunfall schuldhaft

Aus Sicht des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hat das Landgericht zutreffend entschieden, dass der Porschefahrer angesichts des Spurwechsels mit überhöhter Geschwindigkeit und der Verringerung des seitlichen Abstands zum Golf den Unfall schuldhaft verursacht hat. Der Porschefahrer habe daher gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB für die Unfallfolgen gehaftet.

Bewusste Selbst­ge­fährdung kann Haftung ausschließen

Das Oberlan­des­gericht führte weiter aus, dass eine bewusste Selbstgefährdung im Rahmen des Mitverschuldens (§ 254 BGB) berücksichtigt werden könne. Eine solche Gefährdung liege vor, weil der Golffahrer sich bewusst auf das Rennen und die damit verbundenen Gefahren eingelassen habe. Zu einem vollständigen Haftungsausschluss komme es jedoch nur dann, wenn sonst ein wider­sprüch­liches Verhalten vorläge. Dies werde für Wettbewerbe mit einen nicht unerheblichen Gefah­ren­po­tenzial anerkannt, wie sportliche Kampfspiele oder legale Autorennen. In einem solchen Fall würde sich der geschädigte Wettbewerber treuwidrig verhalten, wenn er einen anderen Wettbewerber wegen eines Schadens in Anspruch nehme, den dieser ohne gewichtige Regelverletzung verursacht habe. Denn die Teilnehmer eines solchen Wettbewerbs nehmen dessen Risiken bewusst in Kauf. Voraussetzung sei jedoch, dass dem Spiel bestimmte, für jeden Teilnehmer verbindliche Regeln zu Grunde liegen. Sie müssen zudem von vornherein feststehen und dem Schutz der Spieler dienen.

Kein Haftungs­aus­schluss des Porschefahrers

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sei ein Haftungs­aus­schluss des Porschefahrers nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts wegen einer Selbst­ge­fährdung des Golffahrers nicht in Betracht gekommen. Beide Parteien haben nämlich keine Regeln vereinbart. Doch selbst wenn sie solche Regeln vereinbart hätten, wäre es zu keinem Haftungs­aus­schluss gekommen. Denn der Porschefahrer hätte angesichts seiner Rücksichts­lo­sigkeit gegen die Regeln erheblich verstoßen. Durch sein Verhalten habe er grob fahrlässig gehandelt. Er habe die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt.

Haftungs­aus­schluss gilt nicht für versicherte Risiken

Des Weiteren gelten die Grundsätze zum Haftungs­aus­schluss bei der Teilnahme an gefährlichen Wettkämpfen nicht für versicherte Risiken, so dass auch aus diesem Grund ein Haftungs­aus­schluss nicht in Betracht gekommen wäre. Sind nämlich die bestehenden Risiken durch eine Haftpflicht­ver­si­cherung gedeckt, so das Oberlan­des­gericht, bestehe weder ein Grund für die Annahme, die Teilnehmer verzichten auf etwaige gegenseitige Schaden­er­satz­ansprüche, noch erscheine es als treuwidrig, dass der Geschädigte den durch die Versicherung gedeckten Schaden geltend macht. Hier hätte ein solcher Versi­che­rungs­schutz bestanden.

Mitverschulden des Golffahrers

Hinsichtlich der Zerstörung des VW Golf sei nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts dem Fahrer ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) von 40 % anzulasten gewesen. Sowohl er als auch der Porschefahrer haben die zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit um etwa 100 km/h überschritten. Ein solches Verhalten reiche im Regelfall dazu aus, um eine alleinige Haftung zu begründen. Dennoch habe der Porschefahrer durch den grob verkehrs­wi­drigen und rücksichtslosen Spurwechsel die entscheidende Ursache für den Unfall gesetzt, so dass er auch überwiegend für die Unfallfolgen haften müsse. Daran ändere die beiderseitige Geschwin­dig­keits­über­schreitung nichts.

Bei den erlittenen Verletzungen sei dem Golffahrer ein Mitverschulden von 60 % anzulasten gewesen. Das Mitverschulden sei um 20 % zu erhöhen gewesen, da er nicht angeschnallt war.

Höhe des Schmerzensgelds war angemessen

Schließlich hielt das Oberlan­des­gericht die Höhe des Schmerzensgeld von 6.000 € für angemessen. Zu berücksichtigen sei gewesen, dass der Golffahrer sich bei dem Unfall das Nasenbein, das Schlüsselbein und drei Rippen gebrochen, das Schultergelenk ausgerenkt sowie einen Pneumothorax, eine Nierenkontusion und zahlreiche Prellungen, Schürfungen, Riss- und Platzwunden zugezogen hat. Zudem musste er viermal operiert und zwei Wochen inten­siv­me­di­zinisch behandelt werden. Außerdem war er vier Monate arbeitsunfähig.

Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung

Darüber hinaus haben sich beide Fahrer wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Tötung strafbar gemacht (siehe: BGH, Urt. v. 20.11.2008 - 4 StR 328/08).

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)

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