21.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil12.11.2015

Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro nach rechtswidriger Unterbringung in psychiatrischer Klinik gerechtfertigtMissachtung grundlegender fachlicher Standards bei Ausstellung der für die Einweisung notwendigen Zeugnisse stellt Amts­pflicht­verletzung der Ärzte dar

Werden bei der Ausstellung von Zeugnissen, die für die Einweisung in eine psychiatrische Klinik notwendig sind, von Ärzten grundlegende fachliche Standards missachtet, stellt dies eine Amts­pflicht­verletzung dar. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor. Das Gericht sprach einem nach diesen Auslegungen zu Unrecht eingewiesenem Mann ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zu.

Der damals 38-jährige Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens wurde am 15. Juni 2007 von Polizeibeamten in eine psychiatrische Klinik gebracht. Die Beklagte ist die Trägerin dieser Klinik. Ärzte der Klinik beantragten beim zuständigen Amtsgericht Konstanz die Anordnung der Unterbringung des Klägers wegen einer "Psychose mit Verfolgungswahn". Es sei von "Fremd- und Eigengefährdung" auszugehen.

Unterbringung war rechtswidrig

Das Amtsgericht Konstanz ordnete in mehreren Beschlüssen die Unterbringung des Klägers in der psychiatrischen Klinik an. Aufgrund dieser Entscheidungen blieb der Kläger bis zum 11. August 2007 gegen seinen Willen in der Klinik und wurde in dieser Zeit zwangsweise medikamentös behandelt. Nach Entlassung des Klägers wurde auf dessen Antrag im Beschwer­de­ver­fahren festgestellt, dass die Unterbringung rechtswidrig gewesen sei. Die Voraussetzungen einer Unterbringung hätten nach den Vorschriften des Unter­brin­gungs­ge­setzes nicht vorgelegen.

Kläger fordert Schadensersatz und Schmerzensgeld

Der Kläger verlangte Schmerzensgeld und Schadensersatz im Wege der Amtshaftung für die durch die Unterbringung erlittenen Beein­träch­ti­gungen. Zu der rechtswidrigen Unterbringung sei es nur auf Grund fehlerhafter ärztlicher Zeugnisse der verant­wort­lichen Ärzte gekommen.

Grundlage für Gefähr­dungs­prognose im Sinne einer Eigen- und Fremdgefährdung nicht gegeben

Das Landgericht Konstanz wies die Klage ab, weil eine Amtspflichtverletzung der Ärzte nicht erkennbar sei. Dieses Urteil hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe nunmehr aufgehoben und dem Kläger für die knapp zweimonatige Unterbringung und zwangsweise medikamentöse Behandlung ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zugesprochen. Eine Amtspflicht­ver­letzung der Ärzte liege vor. Bei der Ausstellung der für die Unterbringung notwendigen ärztlichen Zeugnisse seien von den Ärzten grundlegende fachliche Standards missachtet worden. Für eine Gefähr­dungs­prognose im Sinne einer Eigen- und Fremdgefährdung habe es keine Grundlage gegeben. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Unterbringung eine psychische Erkrankung vorgelegen habe, da eine psychische Erkrankung für sich allein - ohne Eigen- oder Fremdgefährdung - keine zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik rechtfertigen könne. Schadensersatz für materielle Schäden wurde dem Kläger nur insoweit zugesprochen, als eine Verursachung der behaupteten finanziellen Einbußen durch die rechtswidrige Unterbringung nachzuweisen war. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Unter­brin­gungs­gesetz Baden-Württemberg (gültig bis 31.12.2014)

§ 1

Erläuterungen

(1) Psychisch Kranke können gegen ihren Willen in einer nach § 2 anerkannten Einrichtung Untergebracht werden, wenn sie unter­brin­gungs­be­dürftig sind.

[...]

(4) Unter­brin­gungs­be­dürftig sind psychisch Kranke, die infolge ihrer Krankheit ihr Leben oder ihre Gesundheit erheblich gefährden oder eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für Rechtsgüter anderer darstellen, wenn die Gefährdung oder Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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