15.11.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 6273

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil24.06.2008

Ratenzahlungen an den Gerichts­voll­zieher - Insol­venz­ver­walter kann Geld bei späterer Insolvenz des Schuldners nicht vom Gläubiger zurückfordernVom Gerichts­voll­zieher veranlasste Ratenzahlung ist keine von Insol­venz­ver­walter anfechtbare Rechtshandlung

Nach § 133 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Eine solche Rechtshandlung liegt nicht vor, wenn der Schuldner im Rahmen einer Zwangs­voll­streckung auf Veranlassung des Gerichts­voll­ziehers gemäß § 806 b ZPO Teilzahlungen an einen Gläubiger vornimmt. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden.

Der Kläger, Insolvenzverwalter eines Bauunternehmens (BU), verlangt von der beklagten Berufs­ge­nos­sen­schaft die Rückzahlung von zuletzt ca. 5.000 Euro. Das BU schuldete der Berufs­ge­nos­sen­schaft Beiträge. Noch vor dem Insolvenzantrag erließ die Berufs­ge­nos­sen­schaft Beitrags­be­scheide gegen das BU, die Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein können. Da keine Zahlung erfolgte, erteilte die Berufs­ge­nos­sen­schaft dem Gerichts­voll­zieher Vollstre­ckungs­aufträge. Der erste Pfändungs­versuch beim BU blieb fruchtlos. Der Gerichts­voll­zieher bestimmte daraufhin Termin zur Abgabe der eidess­tatt­lichen Versicherung, den er aber immer wieder vertagte, wenn das BU die mit ihm gemäß § 806 b ZPO vereinbarten Ratenzahlungen erbrachte. Auf diese Art wurde die Forderung der Berufs­ge­nos­sen­schaft in Höhe von ca. 5.000 Euro in kleineren Beträgen bis zum Mai 2006 beglichen.

Nachdem im Dezember 2006 das Insol­venz­ver­fahren wegen Zahlungs­un­fä­higkeit und Überschuldung eröffnet worden war, forderte der Insol­venz­ver­walter diese Summe zurück. Nach § 133 InsO (Insol­ven­z­ordnung) ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Damit soll es dem Insol­venz­ver­walter ermöglicht werden, beispielsweise freiwillige Zahlungen des Insol­venz­schuldners an Gläubiger zurückzufordern, um für die Durchführung des Insol­venz­ver­fahrens die Vermögensmasse für alle Insol­venz­gläubiger zu vergrößern, wenn der Schuldner den Vorsatz hatte, die anderen Gläubiger zu benachteiligen und der bevorzugte Gläubiger das wusste. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in einem Zeitraum bis zu drei Monate vor dem Insolvenzantrag der Grundsatz des Vorrangs des schnelleren Gläubigers gilt, der in der Einzelzwangs­voll­streckung seine Forderungen durchsetzt, während danach, in den letzten drei Monaten, der Grundsatz der Gleich­be­handlung aller Gläubiger herrscht. Das bedeutet, dass in dem Zeitraum von 10 Jahren bis zu drei Monaten vor dem Insolvenzantrag der Insol­venz­ver­walter grundsätzlich die Vermögensteile nicht zurückfordern kann, die einem Gläubiger durch Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nahmen zugeflossen sind.

Landgericht verurteilte Berufs­ge­nos­sen­schaft zur Rückzahlung

Das Landgericht Karlsruhe hat der Klage des Insol­venz­ver­walters stattgegeben und die Berufs­ge­nos­sen­schaft zur Rückzahlung verurteilt, da es sich um freiwillige Zahlungen gehandelt habe und die weiteren Voraussetzungen des § 133 InsO erfüllt seien.

Oberlan­des­gericht hebt Urteil des Landgerichts auf

Die Berufung der beklagten Berufs­ge­nos­sen­schaft zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe - 8. Zivilsenat - war erfolgreich. Der Senat hat die Klage abgewiesen:

Das BU war zum Zeitpunkt der Ratenzahlung an den Gerichts­voll­zieher bereits zahlungsunfähig und überschuldet, durch die Zahlungen kam es zu einer objektiven Gläubi­ger­be­nach­tei­ligung (der übrigen Gläubiger des BU), da deren Befrie­di­gungs­mög­lich­keiten ohne die Ratenzahlung an die beklagte Berufs­ge­nos­sen­schaft wirtschaftlich günstiger gewesen wären. Der Senat hat auch angenommen, dass das BU den Vorsatz hatte, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, und das der Berufs­ge­nos­sen­schaft bekannt war.

OLG-Richter: Voraussetzungen des § 133 InsO liegen nicht vor

Die Voraussetzungen des § 133 InsO hat der Senat jedoch verneint, weil den Teilzahlungen keine Rechts­hand­lungen des BU zugrunde lagen, sie nicht freiwillig erfolgten, sondern innerhalb der hoheitlichen Zwangs­voll­streckung. Die Ratenzahlungen beruhten nämlich nicht auf einer Raten­zah­lungs­ver­ein­barung zwischen Gläubiger und Schuldner - Berufs­ge­nos­sen­schaft und BU - , sondern waren allein vom Gerichts­voll­zieher gemäß § 806 b ZPO als Teil des Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fahrens und damit als Teil seines hoheitlichen Handelns veranlasst worden. Das in dieser Form vom Gerichts­voll­zieher beigetriebene Geld kann danach nicht anders behandelt werden als z.B. Bargeld, das der Gerichts­voll­zieher aus der Kasse eines Unternehmens gepfändet hat.

OLG-Richter: Ergebnis entspricht Interessen der Praxis

Dieses Ergebnis entspricht auch den Interessen der Praxis. Der Insol­venz­ver­walter müsste ansonsten jeweils gerichtliche Verfahren auf Rückzahlung anstrengen, in denen er für zahlreiche, betragsmäßig geringe Teilzahlungen an den Gerichts­voll­zieher in jedem Einzelfall die Örtlichkeit der Vornahme der Handlung, den gerade aktuellen Stand der Zwangs­voll­streckung, die Art der Zahlung und den jeweiligen Eintritt der Erfüllung detailliert vortragen müsste. Das ist für ihn besonders schwierig, weil die Personen, der Gerichts­voll­zieher und das insolvente Unternehmen, die möglicherweise über diese Kenntnisse noch verfügen, am Prozess nicht beteiligt sind. Im Extremfall müsste für einen Zeitraum von knapp 10 Jahren auch über kaum noch aufklärbare Streitfragen des subjektiven Bereichs, nämlich den Benach­tei­li­gungs­vorsatz und dessen Kenntnis der Gegenseite gestritten werden. Darüber hinaus würde diese Möglichkeit zu einer erheblichen Verunsicherung von Gläubigern mit berechtigten titulierten Forderungen führen, da für sie die Gefahr bestehen würde, noch nach vielen Jahren auf Rückzahlung von Geld in Anspruch genommen zu werden, das im Rahmen einer ordnungsgemäßen Zwangs­voll­streckung an sie ausgezahlt worden ist. Dadurch würde auch das einzige einem privaten Gläubiger nach dem Gesetz zur Verfügung stehende Zwangsmittel der Zwangs­voll­streckung in seiner Effizienz erheblich geschwächt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 25.06.2008

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