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Niedersächsisches Finanzgericht Urteil19.09.2012
Niedersächsisches Finanzgericht entscheidet über die Bewertung eines WohnrechtsJahreswert von Nutzungen eines Wirtschaftsguts darf nicht nach § 16 BewG gedeckelt werden
Der Jahreswert von Nutzungen eines Wirtschaftsguts, das für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungssteuer nach den §§ 157 ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird, darf nicht nach § 16 BewG gedeckelt werden. Dies entschied das Niedersächsische Finanzgericht.
Seit dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes am 1. Januar 2009 werden - entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts - alle wesentlichen Vermögensgruppen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungssteuer mit dem gemeinen Wert (bzw. Verkehrswert) angesetzt.
Niedriger Verkehrswert kann aus Belastung des Grundbesitzers mit einem Nutzungsrecht resultieren
§ 177 BewG bestimmt ausdrücklich, dass den Bewertungen des Grundvermögens der gemeine Wert zugrunde zu legen ist. Die Berücksichtigung von Grundstücksbelastungen ist dabei grds. nicht vorgesehen. § 198 BewG erlaubt es dem Steuerpflichtigen aber, den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes zu führen. Der Gesetzgeber hat dabei die Möglichkeit zugelassen, dass der niedrigere Verkehrswert auch aus der Belastung des Grundbesitzes mit einem Nutzungsrecht resultieren kann.
Abzug des Wohnrechts bei Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer
Wird das Nutzungsrecht - im Streitfall handelte es sich um ein Wohnrecht - allerdings nicht bereits bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes berücksichtigt, ist es (im Umkehrschluss zu § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG) bei der Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer abzuziehen. Es ist dann "nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes" zu bewerten. In diesem Fall kommt grds. auch die Vorschrift des § 16 BewG zur Anwendung. Danach kann bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsgutes der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut "nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende Wert" durch 18,6 geteilt wird. Anders als bei einer Berücksichtigung der Nutzungen im Rahmen des nachgewiesenen niedrigeren Verkehrswertes nach § 198 BewG findet bei einem Abzug der Nutzungen bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer somit eine wertmäßige Deckelung des Jahreswertes statt.
Stark unterschiedliche Steuerbelastungen durch unterschiedliche Berechnungsmöglichkeiten
Je nachdem, ob die Nutzungen somit bei dem Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwertes oder bei der Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer berücksichtigt werden, können sich bei identischem Sachverhalt und gleicher steuerlicher Leistungsfähigkeit somit stark unterschiedliche Steuerbelastungen ergeben, die alleine aus den unterschiedlichen Berechnungsmöglichkeiten resultieren.
"Vorschrift des Bewerbtungsgesetztes" greift nicht ein, wenn es sich bei dem anzusetzenden Wert um den ermittelten Verkehrswert handelt
Der 3. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hält dieses Ergebnis für nicht folgerichtig und begrenzt § 16 BewG deshalb in verfassungskonformer Weise dahingehend, dass die Vorschrift nicht zur Anwendung kommt, wenn es sich bei dem "nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert" um den nach §§ 157 ff. BewG ermittelten Verkehrswert des Wirtschaftsgutes handelt.
Wert der Nutzungen soll Wert des Eigentums als Vollrecht nicht übersteigen
Der Deckelungsvorschrift des § 16 BewG liegt die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass der Wert der Nutzungen nicht den Wert des Eigentums als Vollrecht übersteigen soll. Dieses Ergebnis trat regelmäßig dann ein, wenn als "nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[r] Wert" eines Wirtschaftsgutes der unrealistisch niedrige Einheits- oder Bedarfswerte angesetzt wurde. § 16 BewG sorgte dann dafür, dass auch der Wert der Nutzungen auf dieses unrealistisch niedrige Wertniveau herabgesenkt wurde. Diese Deckelung ist jedoch nach Auffassung des 3. Senats dann nicht mehr geboten und gerechtfertigt, wenn das belastete Wirtschaftsgut - wie vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben - nach §§ 157 ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird. In diesem Fall verhinderte die Anwendung des § 16 BewG vielmehr eine Verkehrsbewertung der Nutzungen, die ebenfalls verfassungsrechtlich geboten ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.10.2012
Quelle: Niedersächsisches Finanzgericht/ra-online
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