15.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil09.11.2006

Erbrechts­be­ratung durch Banken ist ein Verstoß gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetzNur selbständiger Rechtsanwalt berät unabhängig

Banken dürfen ihre Kunden nicht in erbrechtlichen Fragen beraten. Eine solche Beratung stellt einen Verstoß gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz dar. Die geschäftsmäßige Rechtsberatung ist nur den Personen vorbehalten, denen hierfür die Erlaubnis erteilt worden ist. Ein selbständiger Rechtsanwalt berät den Mandaten unabhängig, während der Angestellte einer Bank bei der Beratung deren Interessen verfolgt. Das geht aus einem Urteil des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor.

Die klagende Rechts­an­walts­kammer nimmt die Beklagte, eine deutsche Großbank, wegen eines Verstoßes gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz auf Unterlassung in Anspruch. Eine Kundin der beklagten Bank wollte einen Teil ihres Vermögens auf ihren Sohn übertragen. Auf Anregung eines Filial­mi­t­a­r­beiters wurde vereinbart, dass ein Mitarbeiter der Zentrale der Beklagten, Herr X., ein Jurist, mit ihr die Verwaltung ihres Vermögens für den Fall ihres Todes besprechen solle. Nach dem Gespräch erstellte Herr X. einen Entwurf für ein Testament und eine Stiftungs­satzung, beide Entwürfe leitete er einem Rechtsanwalt namens und im Auftrag der beklagten Bank zur Prüfung weiter, der sie nach Überprüfung der Kundin übersandte. Nach einem weiteren Gespräch mit der Kundin arbeitete Herr X. Barver­mächtnisse in den Testa­ment­s­entwurf ein und modifizierte die Stiftungs­satzung. Die neuen Entwürfe übersandte er ihr direkt.

Das Landgericht Freiburg hat darin einen Verstoß gegen Artikel 1 § 1 RBerG gesehen und die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Gebiet des Erbrechts beratend und/oder rechtsbesorgend für Dritte tätig zu werden, indem sie in Fragen von Testa­ment­s­er­rich­tungen inhaltlich berate, Testa­ment­s­entwürfe erstelle oder überarbeite, sowie Satzungen für Stiftungen erstelle.

Die Berufung der Beklagten zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg. Die Beklagte hat gegen Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG verstoßen. Danach darf die Besorgung fremder Rechts­an­ge­le­gen­heiten einschließlich der Rechtsberatung geschäftsmäßig nur von Personen betrieben werden, denen dazu die Erlaubnis erteilt worden ist. Die Beklagte hat keine solche Erlaubnis. Die Erlaub­nis­pflicht entfällt bei einer juristischen Person auch dann nicht, wenn sie hierfür einen Volljuristen beschäftigt. Während ein selbständiger Rechtsanwalt den Mandanten unabhängig berät, verfolgt der Angestellte einer Bank deren Interessen, z.B. bei einer erbrechtlichen Beratung, dass die Bank zur Testa­ments­voll­stre­ckerin ernannt werden will.

Bei den Tätigkeiten des Herrn X. handelt es sich auch nicht um die Wahrnehmung wirtschaft­licher Belange, sondern um Rechtsbesorgung. Zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäfts­be­sorgung von erlaub­nis­pflichtiger Rechtsbesorgung ist auf den Kern und Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, da heutzutage alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und daher eine wirtschaftliche Betätigung kaum ohne rechts­ge­schäft­liches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten liegt hier auf rechtlichem Gebiet. Die inhaltliche Beratung in Fragen der Testa­ment­s­er­richtung dient der rechtlichen Umsetzung des Willens des Erblassers. Das ist kein wirtschaft­licher Vorgang, sondern Rechts­ge­staltung. Jemand, der solche Dienst­leis­tungen in Anspruch nimmt, sucht den Dienstleister nicht wegen der Frage auf, wem er was zuwenden will, sondern vielmehr wegen dessen rechtlichen Sachverstands. Angesichts der Kompliziertheit der gesetzlichen Regelungen zum Erbrecht und der Vielfalt testa­men­ta­rischer Gestal­tungs­mög­lich­keiten werden hohe Anforderungen an die juristische Qualifikation des Dienstleisters gestellt.

Die rechtsberatende bzw. rechts­be­sorgende Tätigkeit der Beklagten wird durch die Übersendung der Entwürfe des Testaments und der Stiftungs­satzung an einen Rechtsanwalt nicht zu einer Rechtsberatung dieses Rechtsanwaltes gegenüber der Kundin. Beratung und Erstellung der Entwürfe einerseits und rechtliche Prüfung andererseits sind zwei unter­schiedliche, jeweils unter das Rechts­be­ra­tungs­gesetz fallende Dienst­leis­tungen. Indem Herr X. den Willen der Kundin ermittelte und auf dieser Grundlage einen Testa­ment­s­entwurf fertigte, determinierte er die vorzunehmende Rechts­ge­staltung. Die nachfolgende rechtliche Prüfung konnte nur einer Fehlerkontrolle dienen, denn der Rechtsanwalt musste sich auf die Angaben von Herrn X. zu den persönlichen Verhältnissen und den Gestal­tungs­wünschen der Kundin verlassen.

Die rechts­be­sor­genden Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Testa­ment­s­er­richtung sind auch nicht deshalb zulässig, weil die Beklagte damit für ihre Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigt hätte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Geschäft ihres Gewerbetriebes stünden. Die erbrechtliche Beratung und die Errichtung und Überarbeitung von Testa­ment­s­ent­würfen haben mit Bankgeschäften nichts zu tun. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie ihren Kunden erlaubterweise Testa­ments­voll­stre­ckungen anbietet. Denn weder die erbrechtliche Beratung noch die Erstellung von Testa­ment­s­ent­würfen sind mit der Testa­ments­voll­streckung einhergehende Nebenleistungen. Um die Testa­ments­voll­streckung sachgerecht durchzuführen, bedarf es keiner Beteiligung des Testa­ments­voll­streckers an der Errichtung des Testaments.

Verfas­sungs­rechtliche Bedenken, der Beklagten die genannten Mitwir­kungs­hand­lungen bei der Testa­ment­s­er­richtung zu untersagen, bestehen nicht. Eine andere Betrachtung ist auch nicht dadurch geboten, dass ein Regie­rungs­entwurf für ein neues Rechts­dienst­leis­tungs­gesetz vorliegt, das das Rechts­be­ra­tungs­gesetz ersetzen soll, denn der Rechtsstreit ist auf der Grundlage des geltenden Rechts zu entscheiden. Der Verstoß gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz begründet einen wettbe­wer­bs­recht­lichen Unter­las­sungs­an­spruch.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 09.11.2006

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