15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 6727

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Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss17.09.2008

Erfolgs­aus­sichten einer Schaden­s­er­satzklage gegen die Deutsche Bausparkasse Badenia bejaht

Der Antragsteller begehrt Prozess­kos­tenhilfe für eine Schaden­s­er­satzklage gegen die Deutsche Bausparkasse Badenia, die ihm das Landgericht Karlsruhe nicht gewährt hat. Im Beschwer­de­ver­fahren hat as Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe festgestellt, dass von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage auszugehen ist:

Der Antragsteller, ein damals 31 jähriger Krankenpfleger, und seine damalige Ehefrau, seinerzeit 26 Jahre alt und von Beruf Kranken­schwester, wurden im November 1998 von einem Vertrie­bs­mi­t­a­r­beiter einer für die H&B GmbH tätigen Vermö­gens­be­ratungs GmbH geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigen­tums­wohnung in Oschersleben zu erwerben. Im Dezember 1998 unterschrieben die Eheleute nach mehreren Gesprächs­terminen mit den Vermittlern einen "Besuchsbericht", erklärten ihren Beitritt zu einer Mietpool­ge­mein­schaft und kauften Ende Dezember die 41,32 qm große Wohnung für 158.688 DM. Zur Finanzierung wurden ein Vertrag über ein Vorausdarlehen mit der X-Bank und zwei Bausparverträge mit der Antragsgegnerin Badenia abgeschlossen. In dem "Besuchsbericht" war zur Berechnung des monatlichen Aufwands für Zins und Tilgung die "Vorauszahlung auf die Mietpoolaus­schüttung von z. Zt." mit 468 DM (= 11,32 DM/qm) ausgewiesen. In der von den Vermittlern aufgestellten Beispiel­rechnung wurde dieser Betrag als "Mieteinnahme" bezeichnet.

Der Antragsteller begehrt Schadensersatz insbesondere wegen Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung der Antragsgegnerin.

Nach Auffassung des Senates ist es nach vorläufiger Bewertung der Rechtslage überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller mit seinen Rechts­schutz­be­gehren durchdringen wird. Ein aufklä­rungs­pflichtiger Wissens­vor­sprung der Badenia über besondere Risiken des Anlage­ge­schäftes bestand im Hinblick auf die evidente Unrichtigkeit der Angaben des Vertrie­bs­mi­t­a­r­beiters zur Höhe der Mietpoolaus­schüttung.

Die Vertrie­bs­ge­sell­schaft hat den Antragsteller und seine geschiedene Ehefrau über die tatsächlich verfügbare Nettomiete getäuscht. Davon hatte die Badenia - wie zumindest zugunsten des Antragstellers vermutet wird - Kenntnis. Das Vertrie­bs­un­ter­nehmen hatte dem Antragsteller eine erwartbare Mietpoolaus­schüttung von 11,32 DM pro qm in Aussicht gestellt. Diese Information stellte sich für den Antragsteller so dar, dass er diese sogenannte "Netto­mie­t­einnahme" als feste Rechengröße für die Rendi­te­be­rechnung zu Grunde legen könne. Er musste nicht in Rechnung stellen, dass ein negatives Mietpool­e­r­gebnis mit der Folge von Nachzahlungen oder Kreditaufnahmen des Mietpools von vornherein eingeplant war. Sinn und Zweck der Angaben des Vermittlers im Besuchsbericht war es nämlich ihm vorzurechnen, dass er die voll finanzierte Immobilie mit vertretbarem Eigenaufwand dauerhaft halten könne. Die angekündigte Mietpoolaus­schüttung war bewusst überhöht. Sie beruhte auf einer vorsätzlich falschen Kalkulation und sollte den Anlegern einen unzutreffenden Eindruck von der Rentabilität und Finan­zier­barkeit der Anlage vermitteln. Der Renditerechnung der Vertrie­bs­be­auf­tragten lagen, wie die maßgeblichen Mitarbeiter der Antragsgegnerin, insbesondere der Finanzvorstand A. wussten, überhöht kalkulierte Mietaus­schüt­tungen zugrunde. Bereits mit einem Schreiben vom März 1998 lehnte es das Vorstands­mitglied der Antragsgegnerin im Rahmen der Einwertung des Objekts O. ab, eine Nettokaltmiete von 11,00 DM pro qm zu Grunde zu legen, ein solcher Parameter sei unrealistisch und inakzeptabel. Der Mietpool erreichte das vom Vermittler versprochene Ausschüt­tungs­er­gebnis nie.

Die Verjäh­rungs­einrede der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Die maßgebliche Verjäh­rungsfrist von 3 Jahren war zum Zeitpunkt der Einreichung des Prozess­kos­ten­hil­fean­trages Ende 2007 noch nicht abgelaufen, da der Antragsteller die den Schaden­s­er­satz­an­spruch begründenden tatsächlichen Umstände frühestens Ende des Jahres 2004 kannte, als das von dem Bundes­auf­sichtsamt für das Kreditwesen in Auftrag gegebene Gutachten vom 27.11.2001 im Zusammenhang mit dem Urteil des 15. Zivilsenates des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe vom 24.11.2004 allgemein bekannt geworden war. Es kommt nämlich maßgeblich auf die Kenntnis von den besonderen Umständen des Zusammenwirkens der Antragsgegnerin mit der Vertriebsgruppe H&B an, aus denen allein sich der qualifizierte Wissens­vor­sprung der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller ergab. Die Anleger mussten vor diesem Zeitpunkt nicht in Erwägung ziehen, ein maßgeblicher Organvertreter der Antragsgegnerin könne von planmäßig überhöhten Mietpoolaus­schüt­tungen im Zeitpunkt des Abschlusses der Finan­zie­rungs­verträge Kenntnis gehabt oder an einem betrügerischen Mietpoolkonzept mitgewirkt haben. Erst Ende 2004 standen solche Vorwürfe im Raum, als die Verstrickung der Antragsgegnerin in das von der H&B betriebene Immobi­lie­n­an­la­ge­ge­schäft und die Verflechtung der rechtlich getrennten Sphären von Finanzierungs- und Erwer­bs­ver­trägen im Sinne einer insti­tu­ti­o­na­li­sierten Zusammenarbeit offenbar geworden waren. Zwar hatte der Antragsteller wohl schon vor dem 01.01.2002 Kenntnis von der evidenten Täuschung über die im Besuchsbericht angegebene Nettomiete, aber erst Ende 2004 bestand der begründete Verdacht, dass ein Vorstand einer Bausparkasse mit Täuschungs­hand­lungen beim Vertrieb der Immobilien möglicherweise in Verbindung stand.

§ 114 Satz 1 ZPO :Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozess­kos­tenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechts­ver­folgung oder Rechts­ver­tei­digung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 22.09.2008

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