15.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil04.08.2006

Autoren müssen bei Verdacht des Plagiats Recherchen der Presse hinnehmenRechte von Journalisten gestärkt

Der Antragsteller, ein Arzt, arbeitet derzeit an einer Univer­si­täts­klinik und ist seit mehr als 10 Jahren auch in der Forschung tätig. Er ist mit nahezu 70 Veröf­fent­li­chungen hervorgetreten. In einem von der Antragsgegnerin Ziffer 1 verlegten Blatt erschien im Jahr 2005 ein vom Antragsgegner Ziffer 2 verfasster Artikel mit der Überschrift: „Der Publikator“, in dem gegen den Antragsteller Plagi­ats­vorwürfe erhoben wurden.

Anfang 2006 mussten die Antragsgegner eine diese Vorwürfe zurückweisende Gegen­dar­stellung abdrucken. Danach verfasste der Antragsgegner Ziffer 2, der Autor des ursprünglichen Artikels, unter Verwendung von Geschäftspapier des Verlages zwei an die Univer­si­täts­klinik gerichtete Schreiben, in denen er unter Hinweis auf den ursprünglichen Artikel und mit dem Zusatz, es hätten sich neue Gesichtspunkte ergeben, Gesprächs­wünsche mit dem Antragsteller und zwei seiner Vorgesetzten mitteilte. Nach erfolglosen schriftlichen Abmahnungen durch den Antragsteller hat sich der Antragsgegner Ziffer 2 unmittelbar mit Fragen an einen der Vorgesetzten des Antragstellers gewandt. Daraufhin hat der Antragsteller beim Landgericht Freiburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der es den Antragsgegnern untersagt werden solle, Vorgesetzte, Arbeitgeber oder Mitarbeiter anzuschreiben oder zu kontaktieren und hierbei auf diesen Artikel Bezug zu nehmen. Das Landgericht Freiburg hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - blieb ohne Erfolg. Die vom Antragsteller beanstandeten Verhal­tens­weisen der Antragsgegner sind geeignet, die private und berufliche Reputation des Antragstellers zu beeinträchtigen und stellen deshalb einen Eingriff in sein allgemeines Persön­lich­keitsrecht und in sein Recht auf freie Berufsausübung dar. Beschränkt wird das allgemeine Persön­lich­keitsrecht durch die verfas­sungs­mäßige Ordnung einschließlich der Rechte anderer, dazu gehört auch das Grundrecht der Pressefreiheit. Die Pressefreiheit gewährleistet aber nicht nur die Freiheit, Nachrichten und Meinungen zu verbreiten, sie umfasst vielmehr auch den gesamten Bereich der publizistischen Vorbe­rei­tung­s­tä­tig­keiten, zu der insbesondere auch die Beschaffung von Informationen gehört. Diese grundrechtlich geschützten Rechts­po­si­tionen der Presse einerseits und des Antragstellers andererseits sind wie stets bei wider­strei­tenden Grundrechten gegeneinander abzuwägen und in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

Das Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Presse hängt mit deren öffentlicher Aufgabe zusammen, die Öffentlichkeit zu informieren und zur Meinungsbildung beizutragen. Dabei ist es weitgehend Sache der Presse selbst, darüber zu entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. Recher­che­maß­nahmen, die das Persön­lich­keitsrecht eines Betroffenen berühren, sind demnach dann gerechtfertigt, wenn sie von einem vertretbaren Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse getragen sind, es genügt, wenn einem auch nur schwachen Verdacht nachgegangen wird.

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat festgestellt, dass hier die Recher­che­maß­nahmen rechtmäßig sind und nicht unterlassen werden müssen. Rechtswidrig wären sie dann, wenn sie eine Racheaktion auf die Verpflichtung zum Abdruck der Gegen­dar­stellung darstellten. Hierfür ist aber nichts ersichtlich. Die Kontaktaufnahme der Antragsgegner mit Arbeitgebern, Vorgesetzten und Kollegen hatte vielmehr den Zweck, den Plagiatsvorwurf nachzu­re­cher­chieren und zu überprüfen, wieweit die Veröf­fent­li­chungen des Antragstellers für seinen beruflichen Lebensweg von Bedeutung sind. Ein anzuerkennendes Interesse der Fachöf­fent­lichkeit an diesen Fragen ist zu bejahen. Eine Verletzung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit konnte der Senat nicht feststellen. Der Umstand, dass in zwei Fällen die Herausgeber medizinischer Fachzeit­schriften sich für die Veröf­fent­lichung eines vom Antragsteller und einem Mitautor stammenden Artikels bei den Lesern mit der Begründung entschuldigten, Passagen seien zu einem Artikel zweier anderer Autoren sehr ähnlich bzw. erhebliche Teile seien einem anderen Manuskript entnommen, stellen starke Verdachts­momente dar, die Anlass zu einer Recherche zum Thema geistiges Eigentum geben können. Da der Antragsteller mit wissen­schaft­lichen Veröf­fent­li­chungen hervorgetreten ist, muss er sich wie jeder andere Autor eine Überprüfung seiner Werke dahingehend gefallen lassen, ob es sich dabei um eigene geistige Leistungen gehandelt hat. Eine Überprüfung des Plagi­ats­ver­dachts und seine Auswirkungen und die damit verbundenen Eingriffe in sein berufliches Umfeld sind von ihm hinzunehmen. Unnötige und außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehende Belastungen des Antragsteller sind nicht ersichtlich.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 09.08.2006

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