15.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.

Dokument-Nr. 2855

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil11.08.2006

Ärztliche Schweigepflicht umfasst auch die Identität von MitpatientenNur bei Einwilligung des Mitpatienten oder Notstand muss Auskunft erteilt werden

Die Klägerin unterzog sich in einer von der Beklagten betriebenen Fachklinik für psychogene Erkrankungen einer stationären Rehabi­li­ta­ti­o­ns­maßnahme. Dabei nahm sie mit anderen Patienten an einer ärztlich verordneten Tanztherapie teil. Bei einer der unter der Aufsicht einer Mitarbeiterin der Beklagten durchgeführten Tanzübungen kollidierte die Klägerin mit einem Mitpatienten, kam zu Fall und zog sich erhebliche Verletzungen am rechten Bein zu. Der Unfallhergang ist streitig.

Die Klägerin kennt lediglich den Vornamen des Mitpatienten. Die Klägerin hat vorgetragen, der Mitpatient, der neben ihr mit einer anderen Patientin Bewegungs­übungen mit einem Tuch gemacht habe, sei ausgelassen und unachtsam zu Fall gekommen und hierbei gegen ihr Bein gestoßen. Sie selbst sei deshalb gestürzt und habe sich am Bein erheblich verletzt. Durch den Sturz sei ein Dauerschaden entstanden, sie verlange Schmerzensgeld in Höhe von 5.500,-- € und Schadensersatz wegen eines Haushalts­füh­rungs­schadens, wegen Umbaukosten für das Badezimmer, Betreu­ungs­kosten, Telefonkosten und Fahrtkosten für ihren Ehemann in Höhe von ca. 25.000 €. Für den Unfall sei auch der Mitpatient verantwortlich, er selbst habe ihre Unfall­schil­derung bei einem Kranken­h­aus­besuch bestätigt und sich entschuldigt. Die Beklagte müsse deshalb Name und Anschrift dieser Person mitteilen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass vermutlich infolge eigenen Übermutes die Klägerin ihr Tuch schwingend rückwärts gelaufen und mit dem Mitpatienten zusam­men­ge­stoßen sei. Dabei seien sowohl die Klägerin als auch der Mitpatient zu Fall gekommen. Eine Sorgfalts­pflicht­ver­letzung des Mitpatienten sei nicht erkennbar. Die ärztliche Schweigepflicht stehe der begehrten Auskunft­s­er­teilung entgegen.

Das Landgericht hat die Auskunftsklage zur Identität des Mitpatienten und die Schaden­s­er­satzklage gegen die Betreiberin der Klinik abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe - Senate in Freiburg - blieb hinsichtlich der Auskunft ohne Erfolg. Das Auskunfts­ver­langen ist nicht begründet. Grundsätzlich ist zwar richtig, dass aufgrund einer sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Behand­lungs­vertrag ergebenden nachwirkenden Treuepflicht ein Auskunfts­an­spruch der Klägerin zu Umständen bestehen kann, die für die Durchsetzung ihrer Rechte von Bedeutung sind. Die Ungewissheit der Klägerin über die Identität des Mitpatienten ist nach Auffassung des Senats entschuldbar und ein Auskunfts­an­spruch kann auch nicht verneint werden mit der Begründung, der Ermitt­lungs­aufwand sei unzumutbar, denn ein Blick in die Patientenkartei würde hierfür genügen.

Dennoch hat die Beklagte die begehrte Auskunft nicht zu erteilen, da der Name zu dem durch § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB geschützten Rechtsgut gehört. Nach dieser Vorschrift ist es dem Arzt und seinen berufsmäßigen Gehilfen untersagt, ein im Rahmen der Berufsausübung bekannt gewordenes, den persönlichen Lebensbereich betreffendes Geheimnis des Patienten zu offenbaren.

Dazu gehört auch der Umstand, dass sich der Patient überhaupt einer ärztlichen Behandlung unterzieht. Nach der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich im Strafprozess das Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht des Arztes auch auf die Identität des Patienten und die Tatsache seiner Behandlung bezieht. Dieselbe Wertung liegt § 203 Abs. 1 StGB zugrunde. Eine Einwilligung des Mitpatienten in die Nennung seines Namens hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Ein Notstand, der ohne oder gegen den Willen des Mitpatienten die Bekanntgabe seiner Identität rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Hier sind für den Arzt gegenüber verschiedenen Patienten bestehende und miteinander kollidierende Pflichten abzuwägen. Angesichts der substantiellen Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht für das Verhältnis zwischen Arzt und Patient hat die Verpflichtung zur Wahrung des Geheimbereichs des einen Patienten Vorrang gegenüber der nachver­trag­lichen Nebenpflicht des Arztes zur Hilfe bei der Geltendmachung gegen diesen Patienten gerichteter etwaiger Schaden­s­er­satz­ansprüche eines anderen Patienten. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen die Beklagte wegen Verletzung ihrer Verkehrs­si­che­rungs­pflicht, da die Therapiegruppe überbesetzt und der Übungsraum überbelegt gewesen sei, ist die Klage noch nicht entschei­dungsreif.

aus dem Gesetz

§ 203 Abs. 1 Ziffer 1 StGB (Verletzung von Privat­ge­heim­nissen):

Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäfts­ge­heimnis offenbart, das ihm als

1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker... anvertraut oder bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 16.08.2006

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