Im zugrunde liegenden Fall wurde im März 1969 zu Lasten eines Grundstücks und zugunsten der Stadt Mannheim folgende Verbote im Grundbuch eingetragen:
"In dem auf dem Grundstück errichteten Gebäude dürfen keine Dirnenpensionen eingerichtet und betrieben werden. Die Wohnräume dürfen nicht an Bardamen oder Personen überlassen werden, welche der Unzucht nachgehen bzw. häufig wechselnden Geschlechtsverkehr haben".
Im März 2011 verlangte der nunmehr neue Eigentümer des Grundstücks die Löschung des Grundbucheintrags. Denn seiner Meinung nach, sei dieser viel zu unbestimmt. Da sich die Stadtverwaltung weigerte dem nachzukommen, erhob der Grundstückseigentümer Klage.
Das Landgericht Mannheim verneinte einen Löschungsanspruch und wies die Klage ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass aus dem Grundbucheintrag eindeutig hervorgehe, dass die gewerbliche Prostitution auf dem Grundstück verboten werden soll. Da der Grundstückseigentümer dies weiterhin anders sah, legte er gegen das Urteil Berufung ein.
Das Überlandesgericht Karlsruhe folgte der Ansicht des Grundstückseigentümers und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Dem Grundstückseigentümer habe ein Löschungsanspruch (§ 894 BGB) hinsichtlich des Grundbucheintrags zugestanden. Denn der Eintrag sei wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unrichtig gewesen. Das Gericht führte dazu folgendes aus:
Zunächst sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts unklar gewesen, ob das Verbot des Betriebs einer "Dirnenpension" das bloße Wohnen der Prostituierten oder nur dort ausgeübte entgeltliche Sexdienstleistungen oder gar beides untersagt werden soll. Zwar werden Dirnenpensionen oftmals als bordellartige Betriebe angesehen, in der Sex gegen Geld angeboten wird. Dies sei seinerzeit nach § 180 Abs. 2 StGB auch strafbar gewesen. Es könne jedoch auch in Betracht kommen, dass Prostituierte in Dirnenpensionen nur nächtigen und in dessen Räumen keine entgeltlichen Tätigkeiten nachgehen. Dies sei wiederum nicht strafbar gewesen.
Zudem sei unklar gewesen, so das Oberlandesgericht weiter, ob das Verbot der Überlassung von Wohnräumen an Bardamen im allgemeinen, oder nur an Bardamen, "welche der Unzucht nachgehen bzw. häufig wechselnden Geschlechtsverkehr ausüben" gelten soll. Außerdem könne der Begriff der "Bardame" nicht mit der "Prostituierten" gleichgesetzt werden.
Weiterhin führte das Oberlandesgericht aus, dass mit dem Begriff der "Unzucht" nicht zwangsläufig Prostitution gemeint ist. Genauso gut könne auch anderes als anstößig empfundenes Sexualverhalten gemeint sein. Es sei zwar richtig, dass unter den Oberbegriff "Unzucht" auch die Prostitution fällt. Es müsse jedoch beachtet werden, dass dieser Begriff im Jahr 1965 auch sexuelle Handlungen umfasste, die vom "Mainstream" abwichen. So sei damals selbst der sexuelle Kontakt unter Verlobten als Unzucht angesehen worden. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass etwa die Vermietung an Personen, die außerehelichen Sexualkontakt oder Sexualpraktiken abweichend vom "Mainstream" haben, durch den Eintrag verboten werden sollte.
Ebenfalls sei aus Sicht der Richter völlig unklar gewesen, ob mit "Personen mit häufigen wechselnden Geschlechtsverkehr" Prostitution oder Promiskuität gemeint war. Zwar könne der Begriff "Prostituierte" darunter fallen. Jedoch könne darunter auch der sexuelle Kontakt mit mehreren Menschen ohne die Absicht, mit den sexuellen Handlungen einen finanziellen Gewinn zu erzielen, verstanden werden. Damit sei gänzlich unklar, ob lediglich die Vermietung der Wohnräume an Prostituierte verboten ist oder auch die Vermietung der Wohnräume an sonstige Personen mit außerehelichen Sexualkontakt bzw. häufig wechselnden Geschlechtspartnern.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.09.2013
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)