18.10.2024
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Dokument-Nr. 642

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil16.06.2005

Abschluss einer Restschuld­le­bens­ver­si­cherung mit Arbeits­un­fä­hig­keits­zu­satz­ver­si­cherung rechtfertigt nicht die Kündigung einer Kranken­ta­ge­geld­ver­si­cherung durch den Versicherer

Der Kläger hatte bei der beklagten Versicherung eine Kranken­ta­ge­geld­ver­si­cherung abgeschlossen. In den Versi­che­rungs­be­din­gungen war unter „Obliegenheiten“ bestimmt, dass der Neuabschluss einer weiteren Versicherung mit Anspruch auf Krankentagegeld nur mit Einwilligung des Versicherers vorgenommen werden darf.

Im Juni 2002 nahm der Kläger ein Darlehen auf und schloss in diesem Zusammenhang bei einem anderen Versicherer zwei Restschuld­le­bens­ver­si­che­rungen ab, die eine Arbeits­un­fä­higkeits-Zusatz­ver­si­cherung mit umfassten. Er informierte die Beklagte darüber nicht. Zu dieser Zeit bezog er Krankentagegeld von der Beklagten. Im Jahr 2004 kündigte die beklagte Versicherung den Kranken­ta­ge­geld­ver­si­che­rungs­vertrag, weil der Kläger eine weitere Versicherung mit Anspruch auf Krankentagegeld ohne ihre Zustimmung abgeschlossen hätte. Der Kläger hat daraufhin beim Landgericht die Feststellung beantragt, dass seine Kranken­ta­ge­geld­ver­si­cherung weiter besteht und nicht durch die Kündigung erloschen ist. Das Landgericht Mannheim hat die Klage abgewiesen, weil es die Kündigung für gerechtfertigt erachtet hat.

Die Berufung des Klägers zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe hatte Erfolg. Der Kläger hat durch den Abschluss der Restschuld­le­bens­ver­si­cherung keine Obliegenheit verletzt, die Kündigung der Beklagten war unberechtigt. Die Versi­che­rungs­be­stim­mungen der Beklagten verbieten dem Versi­che­rungs­nehmer, ohne Einwilligung des Versicherers eine weitere Versicherung mit Anspruch auf Krankentagegeld abzuschließen. Diese Bestimmung ist - wie allgemeine Versi­che­rungs­be­din­gungen regelmäßig - so auszulegen, wie ein durch­schnitt­licher Versi­che­rungs­nehmer bei vollständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und in Berück­sich­tigung des erkennbaren Sinnzu­sam­menhangs sie verstehen muss. Es kommt dabei auf die Verständ­nis­mög­lich­keiten eines Versi­che­rungs­nehmers ohne versi­che­rungs­rechtliche Spezi­a­l­kenntnisse an. Der durch­schnittliche Versi­che­rungs­nehmer wird bei dem Abschluss einer weiteren Versicherung in erster Linie darauf achten, ob diese ihm für den Versi­che­rungsfall ein Krankentagegeld verspricht. Die vom Kläger abgeschlossenen Restschuld­ver­si­che­rungen versprechen jedoch kein Tagegeld, sondern monatliche Leistungen. Bereits aus diesem Grund wird der Versi­che­rungs­nehmer kaum mit der hinreichenden Deutlichkeit erkennen können, dass der Abschluss einer solchen Versicherung zustim­mungs­pflichtig sein soll. Beim Vergleich der Versi­che­rungs­be­din­gungen wird sich ihm zudem erschließen, dass in beiden Versicherungen unter­schiedliche Risiken abgesichert sind. Versi­che­rungsfall der Kranken­ta­ge­geld­ver­si­cherung ist eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeits­un­fä­higkeit ärztlich festgestellt wird, der Versi­che­rungs­schutz endet mit Eintritt der Berufs­un­fä­higkeit. Die Arbeits­un­fä­higkeit wird hier auf die vorübergehende Unfähigkeit zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit eingegrenzt. In der Arbeits­un­fä­hig­keits­zu­satz­ver­si­cherung ist dagegen Versi­che­rungsfall die auf Krankheit oder Körper­ver­letzung beruhende Unfähigkeit, die bisherige Tätigkeit oder eine Verwei­sung­s­tä­tigkeit auszuüben. Dabei wird eine Heilbehandlung nicht vorausgesetzt und zudem der Versi­che­rungs­schutz auch auf die Fälle der Berufs­un­fä­higkeit erstreckt. Damit fehlt es hier objektiv und auch aus der Sicht des durch­schnitt­lichen Versi­che­rungs­nehmers an der Identität von Voraussetzungen und Leistungen. Der Senat hat demnach festgestellt, dass die Kranken­ta­ge­geld­ver­si­cherung bei der Beklagten weiter besteht.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 28.06.2005

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