15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 2153

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil09.03.2006

Kein Amtshaf­tungs­an­spruch für zu Geldstrafe verurteilten Führer­schein­tou­risten

In den Zusammenhang der derzeit in der Presse berichteten Einigung des Europäischen Rates auf einen europäischen Führerschein fügt sich eine Senat­s­ent­scheidung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe. Sie betrifft eine Schaden­s­er­satzklage gegen das Land Baden-Württemberg.

Der Kläger verlangte vom Land Schadensersatz in Höhe von knapp 4.000 Euro, weil er vom Strafrichter des Amtsgerichts im Oktober 2002 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamt­geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro (2.800 Euro) verurteilt worden war.

Dem Kläger war durch bestands­kräftige Verfügung des Landratsamtes die Fahrerlaubnis entzogen worden. Ein medizinisch-psychologisches Gutachten im Jahre 1999 kam zu dem Ergebnis, dass eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis derzeit nicht empfohlen werden könne. In der Folgezeit besuchte der Kläger unter Beibehaltung seines Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland eine Fahrschule in den Niederlanden, wo ihm am Anfang 2002 eine neue Fahrerlaubnis erteilt und ein nieder­län­discher Führerschein ausgestellt worden war. Das Amtsgericht war der Auffassung, dass diese Fahrerlaubnis dem Kläger nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs in der Bundesrepublik Deutschland berechtige und er sich deshalb durch die zweimalige Benutzung eines Pkws strafbar gemacht habe. Die Entscheidung folgte der damaligen ständigen Rechtsprechung.

Im Mai 2004 beantragte der Kläger die Wiederaufnahme dieses Strafverfahrens, weil der EuGH am 29.04.2004 in der Rechtssache Kapper (C-476/01) für einen vergleichbaren Fall entschieden hatte, dass eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen eine Richtlinie des Rates verstoße. Die nationalen Behörden dürften in Fällen dieser Art einer ausländischen Fahrerlaubnis die Anerkennung ihrer Gültigkeit nicht auf unbestimmte Zeit versagen, wie dies in § 28 der deutschen Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) vorgesehen sei. Der Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme wurde als unzulässig verworfen, seine Beschwerde blieb ohne Erfolg. Der Kläger machte dann anschließend beim Landgericht Amtshaf­tungs­ansprüche wegen der zwischen­zeitlich bezahlten Geldstrafe sowie der Kosten des Strafverfahrens geltend. Das Landgericht Karlsruhe hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg: Der Kläger kann keinen Schadensersatz nach den Grundsätzen der gemein­schafts­recht­lichen Amtshaftung verlangen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist für einen Gemein­schafts­rechtsver-stoß durch die Entscheidung eines letzt­in­sta­nz­lichen Gerichts notwendig, dass das Gericht offenkundig gegen Gemein­schaftsrecht verstößt oder dass es die einschlägige Rechtspre-chung des EuGH offenkundig verkennt. Ausdrücklich knüpft der EuGH die Haftung des Mitglieds­s­taates an Verstöße, die in der Entscheidung eines letzt­in­sta­nz­lichen Gerichtes bestehen.

Hier liegt jedoch keine letzt­in­sta­nzliche Entscheidung vor, da der Kläger das Strafurteil mit der Berufung oder der Revision hätte anfechten können. Die Voraussetzung gilt auch, wenn nach der gefestigten Rechtsprechung das Rechtsmittel von vorneherein kaum Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die geltend gemachte Verletzung des Gemein­schafts­rechts ist auch nicht offenkundig im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, denn die Unvereinbarkeit von § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV mit der genannten Richtlinie ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Sie ist mit dem Wort-laut und dem Zweck der Richtlinie vereinbar, bis zu dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Kapper war die Auffassung vertretbar, dass das Erfordernis eines medizinisch-psychologischen Tests bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu den einschlägigen nationalen Vorschriften gehöre, die in Fällen dieser Art nicht mit Hilfe einer ausländischen Fahrer-laubnis unterlaufen werden sollen. So sah es auch die ständige Rechtsprechung in Deutschland. Selbst die Kommission hatte in ihrer schriftlichen Stellungnahme in der Rechtssache Kapper diese Auffassung vertreten. Vor diesem Hintergrund stellt das Urteil des Amtsgerichts keinen offenkundigen Verstoß gegen Gemein­schaftsrecht dar. Ein Schaden­s­er­satz­an­spruch kommt auch nicht in Betracht, weil der Wieder­auf­nah­meantrag zurückgewiesen worden ist. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens war nach nationalem Recht nicht zulässig. Die anschließende Vollstreckung des Strafurteils löst einen Schaden­s­er­satz­an­spruch nicht aus, die Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils, das selbst keine gemein­schafts­rechtliche Amtshaftung auslöst, ist grundsätzlich nicht geeignet, ihrerseits eine solche Haftung zu begründen. Schaden­s­er­satz­ansprüche nach nationalem Recht bestehen nicht. Der Kläger behauptet nicht, dass der Richter des Amtsgerichts bei Erlass des Urteils eine Amtspflicht­ver­letzung in Gestalt einer Straftat begangen habe.

Erläuterungen
§ 28 Abs. 1 FeV:

Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz... in der Bundesrepublik Deutschland haben, dürfen... im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen.

§ 28 Abs. 2 Ziffer 3 FEV:

Die Berechtigung nach Abs. 1 gilt nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, ..., denen die Fahrerlaubnis im Inland... bestandskräftig von einer Verwal­tungs­behörde entzogen worden ist, ...

Artikel 8 Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein:

Vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizei­recht­lichen Terri­to­ri­a­l­prinzips kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine inner­staat­lichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderli-chenfalls umtauschen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 03.04.2006

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