24.11.2024
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Dokument-Nr. 175

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Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss31.01.2005

Unterbringung zweier Häftlinge in einer kleinen Zelle verletzt nicht die MenschenwürdeZur Doppelbelegung von Hafträumen

Die dauerhafte Unterbringung zweier Strafgefangener in einem gemeinsamen Haftraum verstößt nicht gegen die Menschenwürde, wenn dieser über eine Größe von 9 qm verfügt und zusätzlich noch mit einer räumlich abgetrennten und durch eine Tür verschließbaren Nasszelle mit Toilette und Waschbecken ausgestattet ist. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden und damit eine Rechts­be­schwerde eines Strafgefangenen gegen einen gleichlautenden Beschluss der Straf­voll­stre­ckungs­kammer des Landgerichts Karlsruhe zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist seit März 2004 gemeinsam mit einem anderen Strafgefangenen zur Verbüßung einer zweijährigen Freiheitsstrafe in einem zu einer Doppelzelle umfunk­ti­o­nierten Einzelhaftraum in einer Justiz­voll­zugs­anstalt des Landes Baden-Württemberg untergebracht. Der Haftraum weist eine Grundfläche von 9,13 qm auf. In ihm befinden sich ein Etagenbett, zwei Schränke, zwei Stühle, ein Tisch, eine TV-Konsole und zwei Bilderleisten. Außerdem ist in ihm eine Nasszelle mit einer zusätzlichen Grundfläche von 1,3 qm und einem Rauminhalt von 3,25 cbm integriert. Diese enthält ein Waschbecken und eine Toilette, welche vom eigentlichen Aufent-haltsraum durch eine vom Boden bis zur Decke reichende Mauer rundum abgetrennt und durch eine Tür verschließbar ist. Die Nasszelle verfügt nicht über eine eigene Entlüftung. Das Zellenfenster kann in voller Größe geöffnet oder gekippt werden.

Das Landgericht Karlsruhe hat dem Antrag des Strafgefangenen, ihm eine eigene Zelle zuzuweisen, im Juni 2004 stattgegeben, seinen weitergehenden Antrag auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der bisherigen Unterbringung jedoch zurückgewiesen.

Ebenso nun der 1. Strafsenat. Zwar sei der Beschwer­de­führer entgegen der Regelung des § 18 Abs. 1 StVollzG während der Ruhezeit nicht allein in einem Haftraum untergebracht gewesen, so dass der damit geschaffene Zustand dem Gesetz widersprochen habe. Voraussetzung des Erfolges der vom Antragsteller eingereichten Feststel­lungsklage sei es jedoch, dass die Unterbringung auch menschen­un­würdig gewesen sei. Hiervon könne aber nicht ausgegangen werden.

Die Doppelbelegung des Hafttraumes berühre nämlich vorliegend den Kern der Menschenwürde nicht, da dem einzelnen Gefangenen noch ein ausreichender Rest an Subjektivität und Identität verbleibe. Die Grundfläche des Raumes erlaube jedem Gefangenen für sich noch eine eigenständige Beschäftigung, wie etwa Lesen, Schreiben, Basteln oder Gymnastik, ohne dass der andere Gefangene hierdurch notwendig in diese Beschäftigung einbezogen oder an einer anderen Tätigkeit gehindert ist. Hinzu komme als wesentlicher Punkt, dass die Zelle über eine eigenständige baulich abgetrennte Toilette verfüge, in welcher sich der einzelne Gefangene unter Wahrung seiner Eigen­stän­digkeit und Intimität zurückziehen könne. Zwar sei auch insoweit nicht jegliche Belästigung zu vermeiden, solche Unannehm­lich­keiten müssten jedoch - wie im Alltagsleben auch - hingenommen werden.

Hinweis auf die Gesetzeslage:

StVollzG § 18: Unterbringung während der Ruhezeit

(1) Gefangene werden während der Ruhezeit allein in ihren Hafträumen untergebracht. Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig, sofern ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit eines Gefangenen besteht. (2) Im offenen Vollzug dürfen Gefangene mit ihrer Zustimmung während der Ruhezeit gemeinsam untergebracht werden, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist. Im geschlossenen Vollzug ist eine gemein­schaftliche Unterbringung zur Ruhezeit außer in den Fällen des Absatzes 1 nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.

Hinweis:

Die Rechtsprechung hatte sich bereits mehrfach mit der Frage der menschen­rechts­widrigen Unterbringung von Strafgefangenen bei Mehrfachbelegung von Hafträumen zu befassen. So hat z.B. das Bundes­ver­fas­sungs­gericht mit Beschluss vom 27.2.2002 - 2 BvR 553/01 - entschieden, dass bei einer Unterbringung zweier Gefangener in einem Haftraum mit einer Grundfläche von 7,6 qm eine Verletzung der Menschenwürde in Frage stehe und für eine nachträgliche Feststellung der Rechts­wid­rigkeit einer solchen Maßnahme im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ein Rechts­schut­z­in­teresse bestehe. Im Urteil vom 13.3.2002 - 2 BvR 261/01 - hat es unter dem gleichen rechtlichen Aspekt ausgeführt, eine Unterbringung zweier Gefangener in einem Haftraum mit 8 qm könne das Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde verletzen. Allen bisherigen oberge­richt­lichen Entscheidungen ist jedoch gemein, dass die Haftzellen - anders als in dem vom 1.Strafsenat nunmehr entschiedenen Fall - nicht über eine baulich durch eine Mauer und eine verschließbare Tür abgegrenzte Toilette verfügten. Soweit ersichtlich, handelt es sich insoweit um die erste oberge­richtliche Entscheidung.

Quelle: ra-online, OLG Karlsruhe

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