Im zugrunde liegenden Fall klagte eine Passantin gegen einen Hauseigentümer auf Schmerzensgeld wegen eines erlittenen Bruchs des rechten Oberarms. Sie behauptete, dass sie am Abend des 28. Februars 2010 über eine Kante des zum Haus des Beklagten gehörenden Kellerlichtschachtes gestolpert sei, da die Umrandung des Lichtschachtes mindestens 3 cm aus dem Boden herausgeragt habe. Die Fußgängerin führte weiter aus, dass sie angesichts des Sturms an der Hauswand entlang lief. Der Unfallbereich sei zudem stockdunkel gewesen. Der Hauseigentümer bestritt wiederum den Sturz über die Lichtschachtkante und wies daraufhin, dass aufgrund einer Straßenlaterne der Unfallbereich ausgeleuchtet gewesen sei.
Das Landgericht Münster hielt die Angaben der Fußgängerin für zutreffend und gab der Klage im Wesentlichen statt. Es sprach der Klägerin unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldensanteil ein Schmerzensgeld von 3.000 € zu. Seiner Ansicht nach habe der Hauseigentümer seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Er habe den Höhenunterschied einebnen und daher die Gefahrenquelle beseitigen müssen. Gegen die Entscheidung legte der Hauseigentümer Berufung ein.
Das Oberlandesgericht Hamm hob das Urteil des Landgerichts auf. Der verunfallten Fußgängerin habe kein Anspruch auf Schmerzensgeld zugestanden, da der Hauseigentümer seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt habe. Vielmehr sei der Sturz auf die Unachtsamkeit der Klägerin zurückzuführen gewesen.
Zwar sah es das Oberlandesgericht als zutreffend an, dass der Hauseigentümer für das Gebäude und die Grundstücksfläche grundsätzlich verkehrssicherungspflichtig ist. Er müsse auch damit rechnen, dass Fußgänger den eigentlichen Gehweg vor seinem Haus verlassen und die gepflasterte Grundstücksfläche vor der Hauswand benutzen. Jedoch sei der Verkehrssicherungspflichtige nicht für jede noch so geringe Bodenunebenheit verantwortlich. Denn Zweck der Verkehrssicherungspflicht sei es nicht, die Passanten vor jeder denkbaren Gefahr zu schützen. Zudem gebe es keine "Bagatellgrenze" dergestalt, dass Bodenunebenheiten bis zu einer Höhe von 2 cm hinzunehmen sind. Vielmehr komme es maßgeblich auf die Besonderheiten der Sturzsituation und der örtlichen Verhältnisse an.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze habe nach Auffassung des Gerichts keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorgelegen. Zwar habe zum Unfallzeitpunkt Sturm und Regen geherrscht. Der Lichtschacht sei aber dennoch deutlich zu erkennen gewesen. Denn zum einen habe eine Straßenlaterne den Unfallbereich jedenfalls geringfügig ausgeleuchtet. Zum anderen sei der Bereich des Lichtschachts durch die baulich unterschiedliche Gestaltung der Pflasterung mit abweichender Farbgestaltung vom eigentlichen Gehweg abgetrennt gewesen.
Für das Gericht war es zudem nicht nachvollziehbar, dass die Passantin sich in dem nach eigenen Angaben stockdunklen Bereich direkt vor der Hauswand begibt, ohne sich mit besonderer Sorgfalt vorzutasten. Darüber hinaus habe sich an der Hauswand kein Vordach oder sonstiger Regenschutz befunden. Der Hauseigentümer habe daher im Falle absoluter Dunkelheit nicht damit rechnen müssen, dass sich Passanten ohne die nötige Sorgfalt dorthin begeben. Er habe sich darauf verlassen dürfen, dass Passanten bei zumutbarer Wahrung der eigenen Sicherheit den Kellerlichtschacht nicht übersehen werden. Außerdem sei zu berücksichtigen gewesen, dass ein Herausragen der Umrandung eines Lichtschachtes üblich ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.08.2013
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)