21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil30.05.2016

Beim Umschalten der Ampel von Grün auf Gelb besteht Pflicht zum AnhaltenBei Möglichkeit zur rechtzeitigen Betrie­bs­bremsung ist Fahrzeug vor der Ampelanlage zum Stehen zu bringen

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass ein Kfz-Fahrer dann gegen das Gebot, beim Wechsel einer Ampel von Grün auf Gelb anzuhalten verstößt, wenn er mit seinem Fahrzeug in den Kreuzungs­bereich einfährt, obwohl er mit einer normalen Betrie­bs­bremsung zwar jenseits der Haltelinie, aber noch vor der Ampelanlage hätte anhalten können.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der heute 65 Jahre alte Kläger aus Bönen befuhr mit seinem Motorroller im September 2012 morgens die Radbodstraße in Hamm in nördlicher Richtung und beabsichtigte die Kreuzung zur Dortmunder Straße geradeaus zu überqueren. In den Kreuzungs­bereich fuhr er ein, als die für ihn geltende Ampel von Rot/Gelb auf Grün umsprang. Aus der Gegenrichtung näherte sich der Beklagte aus Osnabrück mit seinem Sattelzug auf der Links­ab­bie­gespur der Radbodstraße. Der Beklagte beabsichtigte, nach links in die Dortmunder Straße einzubiegen und fuhr in den Kreuzungs­bereich ein, - dies ergab die im gerichtlichen Verfahren durchgeführte Beweisaufnahme - nachdem die für ihn geltende Ampel von Grün auf Gelb umgesprungen war. Der Kläger leitete eine Vollbremsung ein, geriet mit seinem Motorroller in eine Schräglage und kollidierte mit dem Unterfahrschutz des Satte­lauf­liegers. Er zog sich diverse, zum Teil schwere Verletzungen - einschließlich des Verlustes der Milz - zu. Die ihm entstandenen Schäden, materielle Schäden in Höhe von ca. 13.500 Euro sowie ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 40.000 Euro, hat der Kläger im Prozess vom Beklagten und der mitverklagten Haftpflicht­ver­si­cherung ersetzt verlangt.

Landgericht gibt Schaden­s­er­satzklage dem Grunde nach statt

Nach durchgeführter Beweisaufnahme zum Unfallhergang gab das Landgericht der Klage dem Grunde nach mit einer Haftungsquote von 70 % zu Gunsten des Klägers statt und nahm ein mit 30 % zu bewertendes klägerisches Mitverschulden an.

OLG bejaht Gelblicht­verstoß des Beklagten

Die Berufung der Beklagten gegen das landge­richtliche Urteil blieb erfolglos. Das Oberlan­des­gericht Hamm bestätigte das landge­richtliche Urteil. Der Beklagte habe den Unfall überwiegend verschuldet, so das Oberlan­des­gericht. Ihm sei ein Gelblicht­verstoß vorzuwerfen. Das Gelblicht einer Ampel ordne an, das nächste Farbsignal der Ampelanlage abzuwarten. Sei das nächste Farbsignal - wie im vorliegenden Fall - "rot", habe der Fahrer anzuhalten, soweit ihm dies mit normaler Betrie­bs­bremsung vor der Ampelanlage möglich sei. Andernfalls dürfe er weiterfahren, müsse aber den Kreuzungs­bereich hinter der Licht­zei­che­n­anlage möglichst zügig überqueren.

Sattelzug hätte rechtzeitig an roter Ampel halten können

Im vorliegenden Fall habe der Beklagte anhalten müssen und die für ihn geltende Ampelanlage nicht mehr passieren dürfen. Er habe den Sattelzug vor Beginn der Rotlichtphase mit einer normalen Betrie­bs­bremsung vor der Ampelanlage anhalten können. Das stehe nach dem im Prozess eingeholten Sachver­stän­di­gen­gut­achten fest.

Bei möglichem Anhalten mit normaler Betrie­bs­bremsung vor der Ampelanlage besteht Pflicht zum Bremsen

Ob der Beklagte noch vor der Haltelinie seiner Ampelanlage habe zum Stehen kommen können, sei nicht entscheidend. Wer die Haltelinie überquere, ohne einen Verkehrsverstoß zu begehen, dürfe dann nicht in jedem Fall an der Gelb- oder Rotlicht zeigenden Ampelanlage vorbeifahren. Er müsse vielmehr anhalten, wenn er mit normaler Betrie­bs­bremsung noch vor der Ampelanlage zum Stehen kommen könne. Andernfalls gefährde er den Querverkehr in einer nicht hinnehmbaren Weise. Dies gelte besonders, wenn er, was auf den Beklagten zutreffe, ein großes und schwerfälliges Fahrzeug lenke, mit dem er bei Gelblicht nur langsam in den Kreuzungs­bereich einfahren könne.

Beklagter hätte Sattelzug anhalten und Abbiegevorgang abbrechen müssen

Abgesehen von dem Gelblicht­verstoß sei dem Beklagten vorzuwerfen, dass er den Sattelzug nicht angehalten und seinen Abbiegevorgang abgebrochen habe, als der Kläger in den Kreuzungs­bereich eingefahren sei. Er habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Kläger ihm, dem Beklagten, als "Kreuzungsräumer" den Vorrang belasse.

Unfal­lur­säch­liches Verschulden des Klägers weniger schwerwiegend

Im Verhältnis zum Beklagten stelle sich das unfal­lur­sächliche Verschulden des Klägers als weniger gewichtig dar. Ihm sei vorzuhalten, dass er in den Kreuzungs­bereich eingefahren sei, ohne auf den sich im Kreuzungs­bereich bewegenden Sattelzug des Beklagten zu achten. Er habe sich nicht so verhalten, wie es von einem Verkehrs­teil­nehmer erwartet werden müsse, der eine Gefährdung Anderer möglichst auszuschließen habe.

Haftungsquote von 70 % zulasten des Beklagten nicht zu beanstanden

Die Verur­sa­chungs­beiträge des Klägers und des Beklagten am Unfall habe das Landgericht unter Berück­sich­tigung der Betriebsgefahr beider Fahrzeuge zutreffend abgewogen, die festgestellte Haftungsquote von 70 % zulasten des Beklagten sei nicht zu beanstanden.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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