15.11.2024
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Dokument-Nr. 25130

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Beschluss22.12.2016Oberlandesgericht Hamm11 UF 194/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2017, 1679Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2017, Seite: 1679
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Vorinstanz:
  • Amtsgericht Hamm, Beschluss28.09.2016, 32 F 243/16
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Hamm Beschluss22.12.2016

Keine Rückkehr der von Kindesmutter entführten Kinder nach Frankreich aufgrund engerer Bindung der Kinder zur MutterSchwerwiegende Gefahr eines seelischen Schadens für Kinder

Entführt eine Mutter ihre drei- bis fünfjährigen Kinder aus Frankreich nach Deutschland, steht dem Kindesvater gemäß Art. 13 Abs. 1 b) des Haager Übereinkommens (HÜK) kein Anspruch auf Rückgabe seiner Kinder zu, wenn die Kinder zwischen­zeitlich zur Mutter eine viel engere Bindung entwickelt haben. In diesem Fall wäre eine Trennung von der Mutter mit einer schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens bei den Kindern verbunden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2015 brachte eine Mutter ihr fünf- und dreijähriges Kind von Frankreich nach Deutschland. Als Grund für die Kindesentführung führte sie später an, dass der Kindesvater die Kinder misshandle. Die seit einiger Zeit getrennt lebenden Elternteile übten gemeinsam das Sorgerecht aus und waren nicht miteinander verheiratet. Der Kindesvater versuchte in der Folgezeit den Aufenthalt der Kindesmutter zu erfahren. Nachdem ihm dies im Sommer 2016 gelang, beantragte er vor dem Amtsgericht Hamm die Rückgabe seiner Kinder. Das Amtsgericht gab dem Antrag statt. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Kindesmutter. Sie führte an, dass sich die Kinder inzwischen am neuen Wohnort eingelebt hätten und vom ihren Vater distanziert hätten.

Kein Anspruch auf Rückgabe der entführten Kinder

Das Oberlan­des­gericht Hamm entschied zu Gunsten der Kindesmutter und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Zwar liege eine unzulässige Kindes­ent­führung vor. Eine Rückgabe der Kinder scheitere aber daran, dass eine solche mit der schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens für die Kinder verbunden wäre. Es liege somit ein Rückga­be­hin­dernis nach Art. 13 Abs. 1 b) HÜK vor.

Trennung von Kindesmutter begründet schwerwiegende Gefahr eines seelischen Schadens

Da die Kindesmutter in Frankreich aufgrund eines Haftbefehls wegen Kindes­ent­führung mit einer Verhaftung rechnen müsse, so das Oberlan­des­gericht, komme allenfalls eine Rückkehr der Kinder ohne die Mutter in Betracht. Bei einer solchen Trennung drohe aber gegenwärtig ein schwerer seelischer Schaden. Denn die Kinder haben die weitaus engsten Bindungen zur Kindesmutter aufgebaut. Die nicht mehr vorhandenen Bindungen zum Kindesvater müssen zunächst wieder aufgebaut werden, bis eine Rückkehr der Kinder in Betracht komme.

Bindungs­er­fahrung für Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren wichtig

Bindungs­er­fah­rungen seien nach den Ausführungen des Oberlan­des­ge­richts vor allem in den ersten drei bis fünf Jahren entscheidend für die lebenslange Bindungs­fä­higkeit und sogar die körperliche Hirnausbildung eines Kindes. Eine gestörte Bindungs­fä­higkeit benachteilige nicht nur die Einzelbeziehung des Kindes etwa zu Freunden, späteren Ehegatten und Schutz­be­fohlenen sowie seine Eingliederung und Streitbeilegung in Gruppen von mehreren Personen, sondern sie belaste auch sein Selbstbild, sein Selbst­ver­ständnis und seine seelische Gesundheit, Belastbarkeit und Anpas­sungs­fä­higkeit. Ungestörte Bindungen auch zu nur wenigen Personen, in denen ein Kind im fraglichen Alter Zuwendung, Fürsorge und Schutz verlässlich erfahre, seien daher entscheidend.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)

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