15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 17592

Drucken
Beschluss31.03.2013Oberlandesgericht Frankfurt am Main3 Ws 58/13 (StVollz)
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NStZ-RR 2014, 30Zeitschrift: NStZ-Rechtsprechungsreport (NStZ-RR), Jahrgang: 2014, Seite: 30
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz:
  • Landgericht Darmstadt, Beschluss10.12.2012, 1 c StVK 1411/12
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss31.03.2013

Gefesselte Vorführung eines Strafgefangenen zum Gespräch mit Anstaltsleiter zur privaten Hilfestellung rechtswidrigStrafgefangener kann Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der Maßnahme beantragen

Weigert sich ein Strafgefangener an einem Gespräch mit dem Anstaltsleiter zur privaten Hilfestellung des Strafgefangenen teilzunehmen, so darf er nicht gefesselt vorgeführt werden. Eine solche Zwangsmaßnahme ist rechtswidrig. Der Strafgefangene kann in einem solchen Fall Antrag auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit stellen. Dies hat das Oberlan­des­gericht Frankfurt a.M. entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im September 2012 sollte ein Strafgefangener an einem Gespräch mit dem Anstaltsleiter teilnehmen. Thema des Gesprächs sollte die private Situation des Strafgefangenen sein und wie man ihm am besten dabei hilft. Dieser wollte sich aber nicht helfen lassen und weigerte sich daher an dem Gespräch teilzunehmen. Daraufhin wurde er kurzerhand zwangsweise mit Handfesseln vorgeführt. Die Handfesseln musste er zudem über das gesamte Gespräch hinweg tragen. Seiner Meinung nach sei diese Maßnahme rechtswidrig gewesen. Er beantragte daher beim Landgericht die Rechtswidrigkeit der Zwangsvorführung feststellen zu lassen.

Landgericht wies Feststel­lungs­antrag wegen fehlendem Feststel­lungs­in­teresse zurück

Das Landgericht Darmstadt wies den Feststel­lungs­antrag des Strafgefangenen als unzulässig zurück. Denn es habe an dem erforderlichen Feststellungsinteresse gefehlt. Weder habe die erledigte Maßnahme eine anhaltende diskri­mi­nierende Wirkung gehabt noch habe die Gefahr einer Wiederholung bestanden. Gegen diese Entscheidung legte der Strafgefangene Rechts­be­schwerde ein.

Oberlan­des­gericht bejahte Feststel­lungs­in­teresse

Das Oberlan­des­gericht entschied zu Gunsten des Strafgefangenen und hob die erstin­sta­nzliche Entscheidung auf. Denn es habe ein berechtigtes Feststel­lungs­in­teresse im Sinne des § 115 Abs. 2 StVollzG vorgelegen.

Rehabi­li­ta­ti­o­ns­in­teresse begründete Feststel­lungs­in­teresse

Aufgrund des diskri­mi­nie­renden Charakters der Zwangs­vor­führung habe nach Einschätzung des Oberlan­des­ge­richts ein schutzwürdiges Rehabi­li­ta­ti­o­ns­in­teresse vorgelegen. Denn die Anordnung und Durchführung unmittelbaren Zwangs gegen einen Gefangenen könne neben einer diszi­pli­na­rischen Ahndung noch weitere nachteilige Auswirkungen haben. So hätte der Eindruck entstehen können, dass der Strafgefangene rechtmäßigen Anordnungen der Vollzugs­be­diensteten nicht Folge leistete und damit die Ordnung der Anstalt störte. Dies hätte nachteilige Auswirkungen auf mögliche Vollzugs­lo­cke­rungen oder Vergünstigungen haben können.

Vorliegen eines Feststel­lungs­in­teresses wegen Eingriffs ins allgemeine Persön­lich­keitsrecht

Zudem habe der in der Fesselung liegende erhebliche Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) des Strafgefangenen und des damit einhergehenden diskri­mi­nie­renden Charakters der Maßnahme das Feststel­lungs­in­teresse begründet, so das Oberlan­des­gericht. Dabei habe es keine Rolle gespielt, dass der Strafgefangene nicht den Blicken von vollzugsfremden Personen ausgesetzt war.

Zwangs­vor­führung mit Handfesseln war rechtswidrig

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts sei die Zwangs­vor­führung mit Handfesseln auch rechtswidrig gewesen. Denn es habe dafür keine Rechtsgrundlage vorgelegen. Der Strafgefangene sei nicht verpflichtet gewesen an dem Gespräch teilzunehmen. Er hätte daher nicht zwangsweise vorgeführt werden dürfen. Darüber hinaus haben auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine akute, belegbare Gefahr für eine körperliche Gewalttätigkeit bestanden. Allein eine destruktive Grundhaltung und die Verweigerung von Hilfsmaßnahmen genüge für eine solche Annahme nicht.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss17592

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI