Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass sie ohne vertragliche Beziehungen zu den Anbietern der 0190–Service–Nummern (Dienstebetreibern) keinen Einfluss auf die vom Anschluss des Beklagten aus aufgebauten Verbindungen nehmen könne. Eine zwangsweise Unterbrechung der Verbindung eines solchen Telefon-Providers sei nicht möglich. Das Landgericht ist dieser Argumentation gefolgt und hatte der Zahlungsklage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und der Klägerin lediglich das Nutzungsentgelt für eine Stunde (115,77 €) zugesprochen.
Dem Anschlussnehmer steht nach Auffassung des Senats in Höhe des eine Stunde überschreitenden Verbindungspreises ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht durch die Netzbetreiberin zu, mit dem er gegen die Entgeltforderung aufrechnen könne.
Die Netzbetreiberin müsse Kosten für Kunden aus der Nutzung von 0190-Diensten dadurch vermeiden, dass die Verbindungen nach einer Stunde unterbrochen werden. Damit bejaht der Senat eine (vertragliche) Nebenpflicht des Netzbetreibers, wie sie ab 15.08.2003 durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauches von 0190er-/0900er- Mehrwertdienstenummern für die Diensteanbieter in § 43 b Telekommunikationsgesetz gesetzlich geregelt worden ist.
Der Klägerin sei im Zusammenhang mit 0190-Diensten bekannt gewesen, dass durch technische Defekte am Endgerät oder versehentliche Fehlbedienungen Telefonverbindungen aufrecht erhalten werden können, ohne dass der Kunde dies bemerkt. Da der Kunde generell nicht damit rechne, dass nach Auflegen des Hörers die Verbindung gleichwohl fortbestehen könne, entspreche es dem Verbraucherschutz, dass der das Telefonnetz unterhaltende Vertragspartner Schutzvorkehrungen ergreife. Die Annahme einer solchen nebenvertraglichen Schutzpflicht bestehe unabhängig davon, ob ein Bedienungsfehler oder ein technischer Defekt für die unbeabsichtigte Aufrechterhaltung der Verbindung ursächlich gewesen sei. Das Abschalten der Verbindung sei dem Telefondienstbetreiber technisch möglich und zumutbar. Dass der Klägerin eine solche Unterbrechung gegenüber Fremdanbietern nicht möglich sei, habe sie nicht schlüssig belegt. Eine solche Unterbrechung widerspreche nicht den Vertragspflichten des Netzbetreibers gegenüber Telefondienstanbietern.
Der Beklagte konnte dem Schadensersatzanspruch gegen die Klageforderung aufrechnen, obwohl die von der Klägerin in ihren Geschäftsbedingungen festgelegte Frist von 8 Wochen zur Erhebung von Einwenden gegen die Telefonrechnung verstrichen war. Denn diese Frist gilt nach Auffassung des Senates nicht für zum Schadensersatz führende Verletzungen von vertraglichen Nebenpflichten des Telefonnetzbetreibers.
Vorinstanz: Landgericht Gießen, Az. 5 O 134/02
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.07.2004
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 01.07.2004