21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 29600

Drucken
Beschluss26.11.2020Oberlandesgericht Frankfurt am Main26 Sch 14/20
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss26.11.2020

Beweiswürdigung eines Schiedsgerichts nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbarGerichtliche Aufhebung eines Schiedsspruchs nur bei Widerspruch zu öffentlicher Ordnung möglich

Die Beweiswürdigung eines Schiedsgerichts kann im Aufhe­bungs­ver­fahren nicht durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzt werden. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat den Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs im Verfahren um Zahlung von Versicherungsl­eistungen in Höhe von 30 € Mio. mit Beschluss von heute zurückgewiesen.

Der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Parteien streiten um Versi­che­rungs­ansprüche. Der Versi­che­rungs­vertrag sollte die Risiken eines Anteilskaufs der Versi­che­rungs­nehmerin absichern. Die Gesamt­ver­si­che­rungssumme von 270 Mio. € ist durch eine Mehrheit von Versicherern gedeckt. Hier wird die Antragsgegnerin über 30 Mio. € in Anspruch genommen, für den sie als erste Versicherung haftet. Die übrigen Versicherungen sind als sog. Neben­in­ter­ve­n­ienten dem Rechtsstreit beigetreten.

Ein Jahr nach dem Anteilskauf wurde bekannt, dass Finanzdaten einer Tochter­ge­sell­schaft, die unter anderem Gegenstand der Transaktion gewesen war, durch Mitglieder des lokalen chinesischen Managements gefälscht worden waren. Dies führte zur Insolvenz ihrer deutschen Holding­ge­sell­schaft. Die Antragsgegnerin wies deshalb von der Versi­che­rungs­nehmerin erhobene Versi­che­rungs­ansprüche ab.

Schiedsgericht wies Klage auf Zahlung von 300 Millionen Euro ab

Die Antragstellerin klagte nachfolgend vor dem Schiedsgericht auf Zahlung von 30 Mio. €. Das Schiedsgericht wies die Klage ab. Zur Begründung stellte das Schiedsgericht u.a. darauf ab, dass das Verhalten der Mitglieder des chinesischen Managements einer als Haftungs­aus­schluss aufzufassenden vertraglichen Klausel unterfalle.

Gericht kann Schiedsspruch nur bei Widerspruch zu öffentlicher Ordnung (ordre public) aufheben

Der daraufhin beim OLG eingereichte Antrag auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs hatte keinen Erfolg. Das OLG betonte zunächst, dass ein Schiedsspruch nur aufgehoben werden könne, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, dass der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (§ 1059 ZPO). Ein solcher Verstoß gegen den ordre public sei hier nicht feststellbar.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin habe das Schiedsgericht sie nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Schiedsgericht habe insbesondere die Bekundungen der vernommenen Zeugen in seiner Entschei­dungs­findung berücksichtigt.

Gericht kann Beweiswürdigung des Schiedsgerichts nicht durch eigene Beweiswürdigung ersetzen

Die Beweiswürdigung des Schiedsgerichts könne im Aufhe­bungs­ver­fahren von einem staatlichen Gericht wegen des so genannten Verbots einer révision au fond nicht durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzt werden. Dies gelte selbst dann, wenn die Beweiswürdigung erkennbar falsch wäre. Erst wenn der Schiedsspruch "mit elementaren Gerech­tig­keits­vor­stel­lungen nicht vereinbar ist, kommt eine Aufhebung ... in Betracht", stellt das OLG heraus. Das Verbot der révision au fond könne auch nicht mit dem von der Antragstellerin angewendeten "dogmatischen Kunstgriff umgangen werden, einzelne Aussagen insbesondere des Zeugen ... zum Kern des eigenen Vortrags zu erheben. Ließe man dies zu, bliebe vom Verbot der révision au fond kaum etwas übrig", so das OLG. Im Wesentlichen habe die Antragstellerin behauptet, es habe ein überein­stim­mender Wille der Parteien bestanden, mit der streit­ge­gen­ständ­lichen Klausel des Versi­che­rungs­ver­trages trotz seines Wortlautes nicht etwa einen Deckungs­aus­schluss, sondern vielmehr eine Absicherung des Rückgriffs der Antragsgegnerin gegenüber Dritten zu regeln. Mit dieser Behauptung der Antragstellerin habe sich das Schiedsgericht intensiv ausein­an­der­gesetzt.

Soweit die Antragstellerin etwaige Fehler in der Entschei­dungs­findung des Schiedsgerichts rüge, rechtfertige auch dies nicht eine Aufhebung. Die Parteien hätten gerade dem Schiedsgericht und nicht dem staatlichen Gericht die Anwendung der von den Parteien bestimmten Rechtsregeln übertragen.

Gegen den Beschluss ist die Rechts­be­schwerde zum BGH zulässig.

§ 1059 ZPO Aufhe­bungs­antrag

(1) Gegen einen Schiedsspruch kann nur der Antrag auf gerichtliche Aufhebung nach den Absätzen 2 und 3 gestellt werden.

(2) Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden,

1. wenn der Antragsteller begründet geltend macht, dass

1. ...

2. wenn das Gericht feststellt, dass

a) der Gegenstand des Streites nach deutschem Recht nicht schiedsfähig ist oder

b) die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/we)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss29600

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI