21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine rote Rose, welche in einer Pfütze liegt.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss12.05.2015

Erbvertrag zugunsten einer Geschäfts­führerin eines ambulanten Pflegedienstes unwirksamLeiter und Mitarbeiter von Betreuungs- oder Pflege­ein­richtung dürfen sich neben vereinbarter Vergütung kein Geld oder geldwerte Leistungen zusichern lassen

Das Hessische Gesetz über Betreuungs- und Pflege­leis­tungen untersagt es der Leitung und den Mitarbeitern einer Betreuungs- oder Pflege­ein­richtung, sich von Betreuungs- und Pflege­be­dürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Pflege­leis­tungen versprechen oder gewähren zu lassen. Ein Erbvertrag, der die Geschäfts­führerin eines ambulanten Pflegedienstes zur Alleinerbin macht, ist daher unwirksam. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die ledige und kinderlose Erblasserin wurde seit Jahren bis zu ihrem Tod von dem ambulanten Pflegedienst der Geschäfts­führerin betreut. Die Geschäfts­führerin selbst hatte die Erblasserin anlässlich eines Kranken­haus­auf­ent­haltes kennengelernt, diese ab dann regelmäßig besucht, gemeinsame Ausflüge unternommen und zweimal in der Woche mit ihr zusammen Mittag gegessen. Knapp ein Jahr vor ihrem Tod schloss die Erblasserin mit der Geschäfts­führerin einen notariellen Erbvertrag, mit dem diese als ihre alleinige Erbin eingesetzt wurde.

Geschäfts­führerin des Pflegedienstes beantrag Erbschein

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Geschäfts­führerin auf der Grundlage des Erbvertrages einen Erbschein, der ihr vom Nachlassgericht erteilt wurde. Der Wert des Nachlasses betrug rund 100.000 Euro.

Nachlassgericht zieht Erbschein als unrichtig wieder ein

Nachdem das Regie­rungs­prä­sidium als Aufsichts­behörde ein Bußgeld­ver­fahren gegen die Geschäfts­führerin wegen Verstoßes gegen das Verbot in § 7 Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflege­leis­tungen (HGBP) eingeleitet hatte, zog das Nachlassgericht den Erbschein als unrichtig wieder ein. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Geschäfts­führerin, die das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main nunmehr nach Vernehmung mehrerer Zeugen zurückwies.

Gesetzliche Regelung soll Ausnutzen einer Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflege­be­dürftiger Menschen verhindern

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Oberlan­des­gericht aus, dass die Geschäfts­führerin nicht Alleinerbin geworden sei, da der Erbvertrag wegen Verstoßes gegen § 7 HGBP unwirksam sei. Die Vorschrift untersage es der Leitung und den Mitarbeitern einer Betreuungs- oder Pflege­ein­richtung, sich von Betreuungs- und Pflege­be­dürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Pflege­leis­tungen versprechen oder gewähren zu lassen. Anders als die Vorgängernorm (§ 14 Heimgesetz) erstrecke sich § 7 HGPB nunmehr ausdrücklich auch auf ambulante Betreuungs- und Pflege­ein­rich­tungen und deren Leitung. Die Regelung solle verhindern, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflege­be­dürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt werde und diene auch dazu, ihre Testierfreiheit zu sichern. Bei einer Erbeinsetzung - wie hier - liege ein Verstoß allerdings nur dann vor, wenn die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag erfolge.

Eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freund­schaft­licher Beziehung im vorliegenden Fall nicht erkennbar

Hierfür bestehe eine gesetzliche Vermutung, die nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden könne. Diesen Beweis habe die Geschäfts­führerin jedoch nicht erbringen können. Zwar sei nach der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass zwischen ihr und der Erblasserin eine freund­schaftliche und eine über eine Geschäfts­be­ziehung hinausgehende Bindung vorgelegen habe. Es könne aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass kein Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und den Pflege­leis­tungen bestanden habe. Eine eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freund­schaft­licher Beziehung sei nicht erkennbar und dürfte in der vorliegenden Konstellation praktisch auch nicht möglich sein. Gerade in Fällen unklarer Beweislage, in denen die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung offen blieben, müsse das Verbot im Interesse des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss21104

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI