18.10.2024
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Dokument-Nr. 26638

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss09.10.2018

Betrugs­straf­verfahren wegen serienmäßig gestellter unberechtigter Rechnungen für "Sexhotlines" eröffnetVorgehen ist als banden- und gewerbsmäßiger Betrug und damit als Verbrechen zu bewerten

Das Oberlan­des­gericht von Main hat auf die Beschwerde der Staats­an­walt­schaft hin ein Betrugs­ver­fahren vor dem Landgericht Fulda eröffnet, welches sich mit unberechtigten Rechnungen für die Inanspruchnahme von "Sexhotlines" beschäftigt.

Die Staats­an­walt­schaft Fulda legt den Angeklagten zur Last, zwischen 2009 und 2014 in Fulda und Umgebung gemein­schaftlich und gewerbsmäßig in 147 Fällen versuchte Betrugs­hand­lungen begangen zu haben. Die Angeklagten sollen in Fulda eine Telefon­se­x­agentur betrieben haben. Habe ein Kunde dort angerufen, sei er darauf hingewiesen worden, dass die kosten­pflichtige Dienstleistung mit 90 Euro berechnet werde. Habe der Kunde nachfolgend nicht innerhalb von maximal 40 Sekunden aufgelegt, sei ihm ein Tonband mit sexuellem Inhalt vorgespielt worden. Die Anrufe seien regelmäßig auf einen Server umgeleitet und dort vollautomatisch abgearbeitet worden. Dabei seien u.a. die Telefonnummern sowie der Zeitpunkt des Anrufs erfasst und der Agentur der Angeklagten übermittelt worden. Die Angeklagten hätten nachfolgend die Adressen der Anrufer, die vor Ablauf der 40 Sekunden aufgelegte hatten, ermittelt und diesen dennoch 90 Euro berechnet. Dies, obwohl sie gewusst hätten, dass die Forderungen nicht berechtigt gewesen seien. Sofern die Anrufer nicht zahlten, hätten die Angeklagten mit einem gestuften Mahnsystem Druck aufgebaut. Insbesondere seien den Anrufern mit aufein­an­der­fol­genden Schreiben jeweils erhöhte Rechnungssummen und deutlich gesteigerte Mahnforderungen übermittelt worden.

Inkassobüro mit Sitz im Ausland sollten Eindruck erschwerter Rekla­ma­ti­o­ns­mög­lich­keiten erzeugen

Durch behauptete Forde­rungs­ab­tre­tungen und die Angabe von Inkas­so­un­ter­nehmen mit Sitz im Ausland sei zudem der Eindruck einer erschwerten Rekla­ma­ti­o­ns­mög­lichkeit erzeugt worden. Dieses Szenario aus Täuschungen und Drohungen bei gleichzeitiger Behauptung der Forde­rungs­be­rech­tigung sei schließlich noch um subtile Andeutungen zur tatsächlichen Kontaktaufnahme des Anrufers und die von ihm hinterlassenen digitalen Spuren ergänzt worden.

LG Fulda lehnt Eröffnung des Verfahrens zunächst ab

Das Landgericht Fulda hatte die Eröffnung des Verfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Die Adressaten der Rechnungen hätten sich nicht über ihre Zahlungspflicht geirrt. Sie hätten gewusst, dass sie nicht gebüh­ren­pflichtig telefoniert hätten und die Rechnungen damit unberechtigt gewesen seien.

OLG bewertet Tatgeschehen als banden- und gewerbsmäßigen Betrug und damit als Verbrechen

Auf die Beschwerde der Staats­an­walt­schaft Fulda hin, welcher die General­staats­an­walt­schaft beigetreten war, hat das Oberlan­des­gericht das angeklagte Tatgeschehen als banden- und gewerbsmäßigen Betrug und damit als Verbrechen bewertet und wegen dieses hinreichenden Tatverdachts das Verfahren vor dem Landgericht Fulda eröffnet. Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts kann der Tatbestand des Betruges auch dann erfüllt sein, wenn Täter und Opfer wüssten, dass die geltend gemachte Forderung nicht berechtigt sei, das Opfer aber gleichwohl zahle, weil "es seine Ruhe haben will" oder "es ihm egal ist".

Betroffene scheuten Aufwand für Widersetzen gegen Forderungen

Im Ergebnis käme es entscheidend darauf an, warum es den Betroffenen "lästig" gewesen sei und sie ihre "Ruhe" haben wollten. Die Betroffenen hätten hier gezahlt, da die Forderung so niedrig gewesen sei, dass sie den Aufwand, die täuschungs­bedingt aufgebaute Beweissituation für diese falsche Forderung zu widerlegen, gescheut hätten. "Lästig" sei es ihnen gewesen, weil sie sich täuschungs­bedingt darüber irrten, dass die Angeklagten auf jeden Fall über die Möglichkeit verfügten, ihre Forderungen durchzusetzen bzw. zumindest über die Möglichkeit verfügten, den Betroffenen Schwierigkeiten machen zu können. Die Betroffenen hätten die Sache auch nicht allein "nur aussitzen müssen". Vielmehr hätten die Angeklagten sie mit dem von ihnen aufgebauten System gerade nicht in Ruhe gelassen. Es hätte aus Sicht der Betroffenen mehr gekostet, den Irrtum über die tatsächliche Möglichkeit der Angeklagten, ihre Drohungen umsetzen zu können, auszuräumen, als die Forderung zu begleichen. Genau auf diesen Effekt sei es den Angeklagten angekommen.

Das Landgericht Fulda wird in der Haupt­ver­handlung klären, ob die dort zu treffenden Feststellungen die dargelegten Bewertungen tragen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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