18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 33985

Drucken
Urteil11.04.2024Oberlandesgericht Frankfurt am Main2 U 115/20
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil11.04.2024

Wucher im Pfandleihhaus: Ankauf von Kraftfahrzeug mit anschließender Rückvermietung nichtigGeschäftsmodell sittenwidrig und damit nichtig

Kauft ein Pfandleihhaus ein Kraftfahrzeug an, um es anschließend an den Verkäufer wieder zu vermieten und beträgt der Marktwert des Fahrzeugs das 5-6-fache des vereinbarten Kaufpreises, sind Kauf- und Mietvertrag wegen Wucher nichtig. Der Verkäufer kann die gezahlten Mieten zurückverlangen, ohne sich den erhaltenen Kaufpreis anrechnen lassen zu müssen, entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG).

Die Beklagte betreibt bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Ihr Geschäftsmodell ist darauf gerichtet, Kraftfahrzeuge den Eigentümern abzukaufen und sie ihnen nachfolgend gegen monatliche Zahlungen zu vermieten. Nach Ende der Mietzeit erhält die Beklagte das Fahrzeug zurück und darf es öffentlich versteigern. Die Klägerin verkaufte ihr Fahrzeug 2020 an die Beklagte für 3.000,00 €. Der Händle­rein­kauf­spreis lag bei rund 15.000 €, der objektive Marktwert bei mehr als 18.000,00 €. Anschließend mietete die Klägerin das Fahrzeug für 297 € monatlich zurück und übernahm die Kosten für Steuern, Versicherung, Wartung und Reparaturen. Nach Kündigung des Vertrages durch die Beklagte gab die Klägerin das Fahrzeug nicht zurück. Der Beklagten gelang es nicht, das Fahrzeug sicher zu stellen. Auf die Klage der Klägerin hin verurteilte das LG die Beklagte zur Rückzahlung der geleisteten Miete und stellte fest, dass die Klägerin ihr Eigentum an dem Fahrzeug nicht verloren hat. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Kauf- und Mietvertrag wegen wucherähnliches Geschäfte nichtig

Sowohl der Kauf- als auch der Mietvertrag seien nichtig, begründete das OLG seine Entscheidung. Sie seien als wucherähnliche Geschäfte sittenwidrig. Es liege ein grobes und auffälliges Missverhältnis zwischen Marktwert und Kaufpreis vor, da gemäß den überzeugenden sachver­ständigen Ausführungen der Marktwert des Fahrzeugs über dem 5-6-fachen des Kaufpreises gelegen habe. Auf die verwerfliche Gesinnung der Beklagten könne angesichts dieses Missver­hält­nisses ohne weiteres geschlossen werden. Angesichts des Geschäfts­modells sei auch davon auszugehen, dass sich die Beklagte den mit Abschluss des Kaufvertrags erzielten Mehrwert endgültig habe einverleiben wollen, auch wenn im Fall der Versteigerung des Fahrzeugs nach Mietende ein etwaiger Mehrerlös dem Verkäufer hätte zugewandt werden müssen.

Kauf- und Mietvertrag bildeten dabei ein einheitliches Rechtsgeschäft. Die Klägerin habe das Fahrzeug nur verkaufen wollen, wenn sie es zugleich weiter nutzen könne. Der Mietvertrag sei damit ebenfalls nichtig und die gezahlte Miete zurückzuzahlen. Obwohl die Klägerin das Eigentum an dem Fahrzeug nicht verloren habe, müsse sie wegen der sittenwidrigen Übervorteilung auch nicht den Kaufpreis an die Beklagte zurückzahlen. Die Beklagte könne den Kaufpreis nicht zurückverlangen, da ihr objektiv ein Sittenverstoß anzulasten sei und sie sich angesichts des auffälligen Missver­hält­nisses der Rechts­wid­rigkeit ihres Handelns zumindest leichtfertig verschlossen habe. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil33985

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI