15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 4934

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil02.10.2007

150.000 € Schmerzensgeld wegen langjähriger Freiheitsstrafe aufgrund falschem Sachver­stän­di­gen­gut­achtenGutachter hat grob fahrlässig gehandelt

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat einen gerichtlichen Sachver­ständigen zur Zahlung eines Schmer­zens­geldes von 150.000,- Euro verurteilt, weil aufgrund seines in einem Strafprozess erstatteten Gutachtens der Kläger (und dortige Angeklagte) zu Unrecht zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Bei einem Banküberfall im Jahre 1991 hatte eine automatische Überwa­chungs­kamera mehrere Lichtbilder des Täters gefertigt, die später zur Festnahme des Klägers führten. Im Rahmen des gegen ihn eingeleiteten Ermitt­lungs­ver­fahrens wurde der Beklagte als Sachver­ständiger beauftragt, ein anthro­po­lo­gisches Vergleichs­gut­achten zu erstellen. Dabei waren die von der automatischen Überwa­chungs­kamera der Bank angefertigten Fotos sowie von dem Sachver­ständigen angefertigte Vergleichs­bilder von dem Kläger auf ihre Übereinstimmung zu untersuchen. Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger „mit sehr großer Wahrschein­lichkeit“ mit der Person auf den Täterbildern identisch sei. In der Straf­ver­handlung hatte er sich sogar dahingehend geäußert, dass für ihn an der Täterschaft des Klägers keinerlei Zweifel bestünden. Nach seiner Berufserfahrung sei es unvorstellbar, dass eine andere Person als Täter in Betracht komme. Aufgrund dieses Gutachtens wurde der Kläger wegen des Überfalls auf die Sparkasse zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Kurz nach seiner Haftentlassung wurde die Tat jedoch von dem wirklichen Täter gestanden, der mittlerweile auch rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Kläger hat den beklagten Sachver­ständigen wegen grob fahrlässiger Verletzung der Pflichten eines Sachver­ständigen auf Zahlung eines Schmer­zens­geldes von 311.259,21 Euro in Anspruch genommen. Das Landgericht Hanau hatte die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von knapp 58.000,- Euro zuerkannt. Gegen diese Entscheidung hatten beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger erstrebte ein höheres Schmerzensgeld, während der Beklagte seine Haftung dem Grunde nach bestritt.

Nach dem Urteil verbleibt es bei der Haftung des Beklagten, während dem Kläger ein höheres Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Auch der Senat geht davon aus, dass das Gutachten grob fahrlässig fehlerhaft erstattet wurde. Zwar sei das schriftliche Gutachten noch nicht grob fehlerhaft. Eine grob fahrlässige Fehler­haf­tigkeit der Begutachtung folge jedoch aus den Äußerungen des Sachver­ständigen in der Haupt­ver­handlung vor der Strafkammer, weil er dort nicht mehr nur eine „sehr hohe Wahrschein­lichkeit“ der Täterschaft, sondern das Bild einer von Restzweifeln befreiten Sicherheit vermittelt habe. Die Darstellung seines Identi­fi­ka­ti­o­ns­er­geb­nisses in der Haupt­ver­handlung habe die erforderliche Differenzierung und Erläuterung der Wahrschein­lich­keits­prä­dikate vermissen lassen und die Darstellung gegebener Zweifel zu Ausschluss­merkmalen verabsäumt. Wenn aber Zweifel angezeigt seien, müsse der Gutachter diese Zweifel auch deutlich machen. Stattdessen habe der Sachverständige jegliche Zurückhaltung aufgegeben und eine nahezu 100 prozentige Wahrschein­lichkeit der Täteridentität assistiert. Der Beklagte habe somit naheliegende und von dem wissen­schaft­lichen Standard gebotene Überlegungen nicht beachtet. Dieser Fehler­haf­tigkeit komme objektiv ein besonderes Gewicht zu, da vom Ergebnis des Vergleichs­gut­achtens entscheidend abhing, ob der Kläger eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. Es sei eine wichtige Aufgabe des Sachver­ständigen, die Grenzen der anthropologisch-wissen­schaft­lichen Erkenntnisse deutlich zu machen.

Insgesamt hielt der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,- Euro als billige Geldent­schä­digung für 1973 Tage zu Unrecht erlittener Haft für angemessen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 02.10.2007

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