18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 33252

Drucken
Urteil08.09.2023Oberlandesgericht Frankfurt am Main10 U 75/20
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil05.03.2020, 2-10 O 318/18
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil08.09.2023

Cum/Cum-Transaktionen: Kompensations­zahlungen können auch nach Wegfall der Anrechnungs­möglichkeit der auf die Dividenden entrichteten Kapitalertrags­steuer nicht zurückverlangt werdenKein Bereicherungs­anspruch gegen Geschäfts­partner

Die Parteien hatten sog. Cum/Cum-Transaktionen getätigt. Die Klägerin vereinnahmte in diesem Zusammenhang Dividenden für von der Beklagten auf sie vor dem Stichtag übertragene Wertpapiere, führte die Kapitalertrags­steuer ab und brachte die Beträge im Rahmen ihrer Körperschafts­steuererklärung zur Anrechnung. Für die erhaltenen Dividenden zahlte sie an die Beklagte eine Kompensation. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte mit heute verkündeter Entscheidung, dass die Klägerin diese Kompensations­zahlungen nicht mit dem Argument zurückverlangen kann, die steuerliche Bewertung habe sich geändert und die Anrechnungs­möglichkeit der auf die Dividenden entrichteten Kapitalertrags­steuer sei entfallen.

Die Parteien sind im Inland tätige Banken. Sie streiten um berei­che­rungs­rechtliche Ansprüche aus Wertpa­pier­da­r­le­hens­ge­schäften in den Jahren 2013-2015. Den - auf der Grundlage eines Rahmenvertrags durchgeführten - Geschäften lagen sog. Cum/Cum- Gestaltungen zugrunde. Diese laufen typischerweise wie folgt ab: Unmittelbar vor einem Dividen­den­stichtag werden inländische Aktien von regel­steu­er­pflichten Ausländern zur Vermeidung einer Defini­tiv­be­lastung mit Kapita­l­er­trags­steuer auf eine voll kapital­steu­er­an­rech­nungs­be­rechtigte steue­rin­län­dische Bank A (hier die Beklagte) übertragen. Bank A überträgt diese zur Absicherung für eine gleichzeitige Leihe von festver­zins­lichen Wertpapieren sodann an eine inländische voll kapital­steu­er­an­rech­nungs­be­rechtigte Bank B (hier die Klägerin). Die überlassenen - oder durch andere ersetzten - Wertaus­gleichs­aktien werden nach dem Dividen­den­stichtag an Bank A zurück­über­tragen. Die Finanz­ver­waltung hatte entsprechende Wertpa­pier­leih­ge­schäfte im Wesentlichen bis 2016 gebilligt und die Kapita­l­er­trags­steu­er­an­rechnung beim Steuerinländer erstattet.

Zwischen den Parteien kam es 2013 bis 2015 zu neun - den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden - Wertpa­pier­da­r­le­hens­ge­schäften. Dabei übertrug die Klägerin jeweils festver­zinsliche Wertpapiere gegen eine Leihgebühr auf die Beklagte. Zur Sicherheit wurden der Klägerin von der Beklagten Aktien inländischer Emittenten ausländischer Herkunft übertragen. Die Transaktionen erfolgten nach einem vorab bestimmten Fahrplan: Nach jedem Dividen­den­stichtag wurden der Klägerin neue Aktien zur Sicherheit übertragen, die nach Vereinnahmung der Dividende zurück­über­tragen wurden. Die Dividen­den­stichtage fielen regelmäßig in den jeweiligen Zeitraum der Überlassung der Wertpa­pier­aus­gleichs­aktien. Die Klägerin vereinnahmte aus den übertragenen Aktien die Dividenden. Sie behielt zudem die Kapita­l­er­trags­steuer ein, führte sie an das zuständige Finanzamt ab und brachte im Rahmen der Körper­schafts­steu­e­r­er­klärung die Beträge zur Anrechnung. Für die entgangenen Dividen­den­ein­nahmen zahlte sie der Beklagten eine Kompensation.

Im Sommer 2017 nahm das Bundes­fi­nanz­mi­nis­terium zur steuerlichen Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen Stellung und führte aus, wann von einer missbräuch­lichen Umgehung der Dividen­den­be­steuerung auszugehen ist. Im selben Jahr wurden die Wertpa­pier­ge­schäfte der Klägerin einer Betriebsprüfung unterzogen.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von gut 13 Mio. € wegen unberechtigter Bereicherung in Anspruch. Sie behauptet, als Ergebnis der Betriebsprüfung sei ihr die Anrechnung einbehaltener Kapita­l­er­trags­steuer nachträglich teilweise versagt worden. Damit stellten sich die an die Beklagte geleisteten Kompen­sa­ti­o­ns­zah­lungen als zu hoch dar. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der Kompen­sa­ti­o­ns­zah­lungen gegen die Beklagte zu, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Die spätere Änderung der steuerlichen Behandlung führe nicht dazu, dass der rechtliche Grund für die erhaltenen Kompen­sa­ti­o­ns­zah­lungen nachträglich (teilweise) weggefallen sei. Die Zahlungen seien nach Maßgabe der Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags erfolgt, der keine Rückzah­lungs­pflicht vorsehe. Für eine ergänzende Vertrags­aus­legung oder eine Anpassung des Rahmenvertrags sei kein Raum.

Bei verständiger Auslegung des Vertrags komme es für die Kompen­sa­ti­o­ns­zah­lungen auf die Anrechnungs- und Steuer­vor­aus­set­zungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Ausgleichs­zahlung an. Nachträgliche Änderungen der Finanz­ver­wal­tung­s­praxis wirkten sich nicht aus. Die von den Parteien gewählte Gestaltung sei seinerzeit von der Finanz­ver­waltung zwar gebilligt worden, es sei jedoch ein Restrisiko verblieben. Dieses Risiko sei von den Parteien erkannt und im Ergebnis der Sphäre der Klägerin zugewiesen worden. Die Klägerin habe für ihr Tätigwerden ein Entgelt von 2 % der Bruttodividende erhalten, was dem 40-fachen der sonst bei Wertpa­pier­ge­schäften üblichen Gebühr von ,05 % entsprochen habe. Es liege auf der Hand, dass die Klägerin diese Marge nicht ohne gleichzeitige Übernahme der steuerlichen Risiken des Geschäfts hätte erwarten können.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin auch nicht schlüssig dargelegt habe, dass und in welchem Umfang ihr die Erstattung bzw. Anrechnung der einbehaltenen Kapita­l­er­trags­steuer auf die vereinnahmten Dividenden tatsächlich versagt worden sei. Die Beklagte hatte nachträgliche Rückfor­de­rungs­be­scheide der Finanzbehörden zu Lasten der Klägerin bestritten.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/pt)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil33252

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI