15.11.2024
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Dokument-Nr. 2270

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Beschluss16.03.2006Oberlandesgericht Frankfurt am Main1 Ss 219/05 und 1Ss 189/05
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss16.03.2006

Kein Hausfrie­densbruch in Einkaufsebenen bei bestehendem Hausverbot

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat sich mit der Zulässigkeit von Hausverboten in der so genannten "B-Ebene" der Frankfurter U-Bahn befasst. Die Angeklagten waren durch das Amtsgericht wegen Hausfrie­dens­bruchs verurteilt worden, weil sie ein ihnen von den Stadtwerken erteiltes Hausverbot nicht beachtet und sich tagsüber in der B-Ebene aufgehalten hatten.

Der Tatbestand des Hausfrie­dens­bruchs (§ 123 StGB) setzt voraus, dass der Täter in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt. Ob die B-Ebene in diesem Sinne als geschützte Örtlichkeit zu qualifizieren ist, war auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen nicht festzustellen. Dafür reicht nach Auffassung des 1. Strafsenats die durchgehende Absenkung vom oberirdischen Straßen­ver­kehrs­bereich nicht aus. Eine unterirdische Fußgän­ger­passage sei nach in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig vertretener Ansicht kein befriedetes Besitztum und diene nicht dazu, den freien Zutritt Unbefugter zu verhindern. Ein Besitztum sei nur „befriedet“, wenn es in äußerlich erkennbarer Weise mittels zusam­men­hän­genden Schutzwehren gegen das Betreten durch andere gesichert sei. Ob die Zugänge zu der B-Ebene sämtlich verschlossen werden können und ob das Vorhandensein von Rollgittern tagsüber erkennbar ist und sich für einen Passanten als mittels zusam­men­hän­gender Schutzwehren nach außen gesichert darstellen kann, war in der Tatsa­chen­instanz nicht lückenlos festgestellt worden.

Klärungs­be­dürftig ist aber auch, ob es sich bei den Wegflächen der B-Ebene um dem Gemeingebrauch gewidmete Flächen handelt. Denn in den Grenzen des Gemeingebrauchs unterliegen Räumlichkeiten, die zu öffentlichen Sachen gewidmet sind, von vornherein nicht dem Schutzbereich des § 123 StGB.

Auch wenn sich im Rahmen der erneuten Verhandlung ergeben sollte, dass die genannten Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, sei weiter zu berücksichtigen, dass das Hausrecht nicht uneingeschränkt ausgeübt werden könne. Es unterliege wie auch bei allen privaten Hausrechts­in­habern, die ihre Räumlichkeiten der Allgemeinheit zugänglich machen, allgemeinen Beschränkungen. Wegen der bestehenden Beför­de­rungs­pflicht dürfe Personen, die die Beför­de­rungs­leis­tungen in Anspruch nehmen wollten, der Zutritt nicht verwehrt werden. Für die Dauer der angemessenen Wartezeit sei der dem Hausverbot Unterliegende zu behandeln wie jeder andere Reisende. Nach dem Inhalt der Benut­zungs­ordnung der Stadtwerke dienten die unterirdischen Verkehrsflächen nicht nur dem Zugang zu den Bahnstationen, sondern auch für den Fußgän­ger­verkehr als Straßen­un­ter­führung und als Zugang zu den in den Gebäuden befindlichen Geschäfts­lokalen und sonstigen Einrichtungen. Ein Hausverbot müsse daher auch den Durchgang durch die B-Ebene und den Zugang zu den dort befindlichen Geschäfts­lokalen und Einrichtungen ausnehmen. Strafrechtlich könne das Zutrittsverbot erst Bedeutung erlangen, wenn dem Angeklagten eine sonstige unberechtigte Nutzung, insbesondere etwa der Aufenthalt zum Zwecke der Durchführung von Drogen­ge­schäften, konkret vorzuwerfen wäre. Das Oberlan­des­gericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen auf die Revision der Angeklagten deshalb aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, weil die tatsächlichen Feststellungen den Schuldspruch wegen Hausfrie­dens­bruchs nicht rechtfertigten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Frankfurt/Main vom 20.04.2006

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