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Dokument-Nr. 14332

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Beschluss12.10.2011Oberlandesgericht Dresden21 UF 0581/11
Vorinstanz:
  • Amtsgericht Meißen, Beschluss27.04.2011, 6 F 288/11
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Dresden Beschluss12.10.2011

Adoption führt zum vollständigen Erlöschen der Verwandt­schafts­ver­hältnisseUmgangsrecht zwischen Geschwistern erlischt

Wird eines von zwei leiblichen minderjährigen Geschwistern adoptiert, erlischt das wechselseitige Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 1 BGB. Ein Umgangsrecht ergibt sich auch nicht aus einer Anwendung von § 1685 Abs. 2 BGB noch aus der möglichen Gefährdung des Wohls des nicht adoptierten Geschwisters gemäß § 1666 Abs. 4 BGB. Dies hat das Oberlan­des­gericht Dresden entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall ging es um das Umgangsrecht des leiblichen Bruders mit seiner Schwester, nachdem diese adoptiert wurde. Zum Zeitpunkt der Trennung waren der Bruder acht und die Schwester sechs Jahre alt. Sie lebten abgesehen von zwei Monaten nur etwa ein Jahr mit der Mutter als Familie zusammen. Ein Umgang zwischen den Geschwistern fand seit der Adoption nicht statt.

Kein Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 1 BGB

Das Oberlan­des­gericht Dresden entschied, dass ein Umgangsrecht des leiblichen Bruders gemäß § 1685 Abs. 1 BGB mit seiner Schwester nicht mehr bestanden habe, denn gemäß § 1755 Abs. 1 BGB erlöschen mit der Adoption alle bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse. Der Bruder sei somit im Rechtssinn nicht mehr der leibliche Bruder der Schwester.

Kein Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 2 BGB

Ein Umgangsrecht bestehe auch nicht nach § 1685 Abs. 2 BGB. Der Bruder habe für seine Schwester keine Verantwortung im eigentlichen Sinne getragen. Zwar möge der Bruder in einem kindlich-spielerischen Sinn gelegentlich der "Beschützer" seiner kleinen Schwester gewesen sein. Eine Übernahme von Verantwortung liege darin jedoch nicht. Dies könne allenfalls bei älteren Geschwistern mit größerer Reife in Betracht kommen.

Sinn und Zweck der Vorschrift sprachen gegen ein Umgangsrecht

Das Oberlan­des­gericht führte weiter aus, dass es bei § 1685 BGB darum gehe, Personen, die in einer dem Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG vergleichbaren Art und Weise mit einem Kind in einer sozial-familiären Beziehung gelebt haben, auch ein Umgangsrecht zu gewähren. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, denn es fehle an der erforderlichen Verant­wor­tungs­übernahme und auch der Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG sei nicht betroffen. Es liege kein familiäres Zusammenleben vor. Die Geschwister hätten nur für einen überschaubaren Zeitraum zusammengelebt und hielten sich zum Trennungs­zeitraum bereits seit mehr als zwei Jahren in einem Kinderheim und in einer Wohngruppe auf. Dies entspreche nicht dem Leitbild einer mit Art. 6 Abs. 1 GG vergleichbaren sozial-familiären Beziehung.

Systematische Gründe sprachen ebenso dagegen

Das Umgangsrecht dürfe nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts nicht in Widerspruch zu Sinn und Zweck der Adoption treten. Ziel der Volladoption sei die vollständige Eingliederung und Sozialisation des Kindes in der Adoptivfamilie. Die Beziehung zur Herkunfts­familie trete daneben in den Hintergrund. Die Adopti­o­ns­ent­scheidung setze eine umfassende Prüfung aller kindes­wohl­re­le­vanten Belange voraus. Dazu gehöre auch die Frage der nicht mehr bestehenden oder erheblich eingeschränkten Umgangs­mög­lich­keiten.

Keine analoge Anwendung von § 1685 BGB

Nach Ansicht des Landgerichtes bestehe kein Raum für eine analoge Anwendung von § 1685 BGB. Es fehle bereits an einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe mit § 1685 BGB das Umgangsrecht für Verwandte und somit auch für Geschwister abschließend geregelt.

Anordnung des Umgangs gemäß § 1666 Abs. 4 BGB nicht möglich

§ 1666 Abs. 4 BGB erlaube, so das Oberlan­des­gericht weiter, in Angelegenheiten der Personensorge die Anordnung von Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten. Der Zweck von § 1666 Abs. 4 BGB gehe jedoch dahin, durch Anordnung gefah­re­n­ab­weh­render Maßnahmen seitens des Famili­en­ge­richts den Eltern ein eigenes gerichtliches Vorgehen gegen Dritte zu ersparen. Der Abwehrcharakter der Vorschrift biete dagegen keine Grundlage, einer möglichen Kindes­wohl­ge­fährdung durch Verpflichtung eines seinerseits minderjährigen Geschwis­ter­kindes und seiner Sorge­be­rech­tigten zur Gewährung bzw. Wahrnehmung von Umgang abzuhelfen.

Kindes­wohl­ge­fährdung möglich

Nach Meinung des Oberlan­des­ge­richts könne es für die Schwester selbst kindes­wohl­ge­fährdend sein, dass der Umgang mit ihrem Bruder unterblieb. Die Geschwister hätten aufgrund dessen, dass die Eltern nicht präsent waren, einen stärkeren Bezug zueinander. Unter diesen Umständen könne der plötzliche Bezie­hungs­abbruch mit ihrem Bruder auch für die Schwester möglichweise mit nicht zu unter­schät­zenden Wirkungen für die künftige Herausbildung einer eigenen Identität verbunden sein.

Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Integration in die Adoptivfamilie durch einen Umgangsrecht gefährdet sei oder dass es zu einer nicht hinzunehmenden Belastung für die Adoptivfamilie und damit wiederum eine Kindes­wohl­ge­fährdung für die Schwester kommen könne.

Quelle: Oberlandesgericht Dresden, ra-online (vt/rb)

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