21.11.2024
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Dokument-Nr. 30056

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Oberlandesgericht Celle Beschluss24.03.2021

Verfassungs­rechtliche Zweifel an fehlender Regelung der Elternstellung gleich­geschlecht­licher PartnerOLG Celle legt Verfahren zur rechtlichen Anerkennung von „Mit-Müttern“ dem BVerfG zur Prüfung vor

Das Oberlan­des­gericht Celle hält die gesetzliche Regelung des Abstam­mungs­rechts in § 1592 BGB für verfas­sungs­widrig, wonach die gleich­geschlechtliche Partnerin einer Mutter die Rechte und Pflichten des zweiten Elternteils nicht von Gesetzes wegen mit der Geburt des Kindes, sondern allenfalls über eine Adoption erlangen kann. Er legt das Verfahren dem Bundes­verfassungs­gericht in Karlsruhe zur Entscheidung dieser verfassungs­rechtlichen Frage vor.

Die Antrag­stel­le­rinnen dieses Verfahrens leben in einer gleich­ge­schlecht­lichen Partnerschaft und sind zwischen­zeitlich verheiratet. Eine der beiden Partnerinnen wurde mittels einer grundsätzlich anonymen Keimzel­len­spende schwanger. Die andere Partnerin erkannte vor der Geburt des Kindes in einer notariell beurkundeten Erklärung an, „Mit-Mutter“ zu sein. Sie bekräftigte dort, „dass sie unbedingt, uneingeschränkt und von Geburt an die Eltern-Verantwortung für das Kind (…) übernehmen“ wolle. Die Erklärung diene der Absicherung des Kindes.

Standesamt lehnte Feststellung der "Mit-Mutterschaft" ab

Nach der Geburt lehnten das zuständige Standesamt und das Amtsgericht Hildesheim es unter Verweis auf die geltende Rechtslage ab, diese „Mit-Mutterschaft“ festzustellen. Hiergegen haben sich die Antrag­stel­le­rinnen mit der Beschwerde an das Oberlan­des­gericht gewandt. Sie wollen damit erreichen, dass die Ehefrau der Mutter als „Mit-Mutter“ rechtlich anerkannt wird.

Keine Anerkennung des gleich­ge­schlecht­lichen Partners als Elternteil

Das Oberlan­des­ge­richts hat mit Beschluss vom 24. März 2021 zunächst aufgezeigt, dass diese begehrte Feststellung nach der geltenden Gesetzeslage nicht getroffen werden kann. Nach § 1591 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist Mutter eines Kindes die Frau, die das Kind geboren hat. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. Auf die Ehefrau der Mutter können diese Grundsätze trotz der zwischen­zeitlich erfolgten Anerkennung gleich­ge­schlecht­licher Partnerschaften und Ehen nicht übertragen werden. Diese Regelung basiere gemeinsam mit der Möglichkeit der Vater­schafts­an­fechtung vielmehr auf der grundlegenden gesetzlichen Wertung, dass der rechtliche Vater mit dem Kind genetisch verwandt ist. Diese genetische Verwandtschaft fehlt der „Mit-Mutter“.

Gerichte an gesetz­ge­be­rische Entscheidung gebunden

Darüber hinaus habe der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, mit der Einführung der gleich­ge­schlecht­lichen Ehe auch die abstam­mungs­recht­lichen Fragen neu zu regeln. An diese – im Einzelnen vom Senat näher heraus­ge­ar­beitete – gesetz­ge­be­rische Entscheidung seien die Gerichte gebunden und dürften sie nicht durch ihre eigenen Gerech­tig­keits­vor­stel­lungen ersetzen. Insoweit stimmt der Senat mit der Auffassung des Bundes­ge­richtshofs überein, der kürzlich in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, dass die Ehefrau der Mutter nicht mit der Geburt des Kindes dessen Mit-Elternteil wird.

Verletzung des Elternrechts durch fehlende Regelung

Im Gegensatz zu der Auffassung des Bundes­ge­richtshofs geht das OLG Celle aber davon aus, dass die fehlende gesetzliche Regelung einer „Mit-Mutterschaft“ die mit der Mutter verheiratete Antragstellerin in ihrem verfas­sungs­rechtlich geschützten Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Grundgesetz) verletzt. Nach dieser Verfassungsnorm sind „die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Diese Verpflichtung beruht nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts darauf, dass die Eltern dem Kind das Leben gegeben haben und ihm sozial und familiär verbunden sind.

Wille zur Übernahme dauerhafter und unauflöslicher Verantwortung

Nach Auffassung des Senats folgen aus diesen Gesichtspunkten nicht nur die Rechte und Pflichten leiblicher Eltern, sondern – in Fällen der Zeugung des Kindes im Wege einer anonymen Keimzel­len­spende – auch die Berechtigung und Verpflichtung der Partnerin der Mutter. Auch diese wolle im Einverständnis mit der Mutter für das aus der künstlichen Befruchtung hervorgehende Kind dauerhaft und unauflöslich Verantwortung übernehmen. Der gemeinsame Entschluss beider Partnerinnen sei in diesen Fällen die Voraussetzung dafür, dass neues Leben entstehe. Der hierdurch gegenüber dem Kind begründeten Verpflichtung folge zugleich das Recht, die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen zu können. Die Spender der Keimzelle brächten durch die anonyme Spende demgegenüber zum Ausdruck, diese Elternstellung gerade nicht einnehmen zu wollen. „Wie für leibliche Eltern gilt auch für Wunscheltern, dass gerade ihnen das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person, auch den Spendereltern“, fasst der Senat seine diesbezüglichen Erwägungen zusammen.

Vorlegen zur Entscheidung beim Bundes­ver­fas­sungs­gericht

Aus denselben Gründen ist nach Auffassung des Senats u.a. auch das Grundrecht des betroffenen Kindes auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt. Der Senat sieht hiernach eine verfas­sungs­rechtliche Handlungs­pflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für solche „Mit-Eltern“ gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Er weist abschließend darauf hin, dass sich vergleichbare Fragen auch im Fall einer gleich­ge­schlecht­lichen Ehe von zwei Männern stellen, die in dem vorliegenden Verfahren aber nicht zu bewerten sind. Aufgrund dieser verfas­sungs­recht­lichen Beurteilung war der Senat nach Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht zur Entscheidung über die Verfas­sungs­wid­rigkeit vorzulegen.

Quelle: Oberlandesgericht Celle, ra-online (pm/aw)

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