Im zugrunde liegenden Fall wollte einer Supermarktkundin aus einem Regal eine Konservendose entnehmen. Die Dosen waren im Regal in mehreren Lagen gestapelt und durch Pappen getrennt. Um an die gewünschte Dose heran zu kommen, musste sich die Kundin nach eigener Angabe strecken. Über der zweiten Lage Dosen lag eine Pappe, die die Kundin als leer ansah. Doch beim Entnehmen der Dose fiel eine vom Standpunkt der Kundin nicht sichtbare Konserve auf die Frau herab und verletzte sie schwer am Auge.
Die Versicherung der Frau klagte erfolgreich vor dem Landgericht Frankfurt Oder und dem Brandenburgischen Oberlandesgericht auf Erstattung der Kosten für die Heilbehandlungen und eine Feststellung der künftigen Ersatzpflicht durch den Supermarkt.
Das Oberlandesgericht begründete seine Entscheidung damit, dass dem Betreiber eines Ladengeschäfts die vertragliche Pflicht und auch eine gesetzliche Verkehrssicherungspflicht obliege, um alle Vorkehrungen zum Schutz seiner Kunden zu treffen. Zwar sei eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließe, zweifelsfrei nicht zu erreichen. Es seien aber diejenigen zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die eine Gefährdung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ausschließen.
Der Supermarkt sei seinen Pflichten im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Anliegen eines Supermarktbetreibers müsse es jedoch sein, dafür zu sorgen, dass die Kunden die in den Verkaufsregalen angebotenen Waren erreichen und entnehmen können, ohne sich auch nur der Gefahr einer Körperverletzung auszusetzen. Dies gelte auch, wenn die Kundin, wie im vorliegenden Fall, nur eine Körpergröße von 1,56 m habe und gegebenenfalls Regale schwerer einsehen könne.
Auch der Hinweis des Supermarktleiters, dass seine Mitarbeiter dazu angehalten seien, regelmäßige Kontrollen durchzuführen, um so eventuelle Gefahren durch unsachgemäße Lagerung von Waren auszuschließen, überzeugte die Richter nicht. Eine Gefahr wie im Streitfall könne innerhalb kürzester Zeit geschehen, da Kunden mitunter zehn Dosen auf einmal kaufen könnten und so binnen Minuten eine besonders gefahrenträchtige Palette im Regal entstehen könnte. Somit sei eine Kontrolle mit dem Ziel einer wirksamen Schadensverhinderung nur bei einer minütlichen Kontrolle der Regale durch die Mitarbeiter denkbar gewesen.
Das Oberlandesgericht kam letztlich zu dem Schluss, dass der Supermarkt die Dosen in dieser Höhe nicht hätte in Lagen stapeln dürfen. Im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs müsse man damit rechnen, dass in der obersten Lage einzelne Dosen in einem instabilen Zustand verblieben, ohne dass dies von Kunden bemerkt würde. Somit hätte das Regal entweder eine geringere Höhe haben müssen oder der Supermarkt hätte auf die oberste Lage der gestapelten Ware verzichten müssen. Ein Mitverschulden an dem Unfall sei der Kundin hier nicht zuzurechnen. Der Supermarkt müsse daher die Behandlungskosten der Kundin und Kosten für künftige, aus dem Unfall resultierende, Behandlungen übernehmen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.01.2011
Quelle: ra-online (ac)