18.10.2024
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Dokument-Nr. 1132

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Oberlandesgericht Bamberg Urteil31.10.2002

Ausnahmsweise Rotlichtverstoß keine grobe Fahrlässigkeit bei der Vollkas­ko­ver­si­cherungVollkasko muss zahlen

Wer bei Rot fährt und dabei einen Unfall verursacht, verliert nicht automatisch den Versi­che­rungs­schutz. So urteilte das OLG Bamberg im Fall eines Klägers, der sich auf eine Aufmerk­sam­keits­s­törung berief. Die Versicherung muss den Schaden zahlen.

Der Versi­che­rungs­nehmer (Kläger) war gegen 23.00 Uhr in Bamberg bei Rotlicht in eine Kreuzung mit Licht­zei­chen­re­gelung eingefahren, nachdem er zunächst 10 – 20 Sekunden vor der Rotlicht zeigenden Ampel angehalten hatte. Im Kreuzungs­bereich kam es zu einem Zusammenstoß mit einem Eigenschaden des Versi­che­rungs­nehmers in Höhe von 53.000,-- DM. Beim Kläger war ein Jahr zuvor eine zentrale visuelle und auditive Verarbeitungs-/Aufmerk­sam­keits­s­törung mit Verdacht einer binokularen Fusionsstörung diagnostiziert worden. Die von ihm in Anspruch genommene Vollkas­ko­ver­si­cherung berief sich auf Leistungs­freiheit wegen grober Fahrlässigkeit, § 61 VVG. Der Kläger war dagegen der Meinung, infolge seines Wahrneh­mungs­de­fektes beruhe sein Fehlverhalten auf einer Aufmerk­sam­keits­s­törung, die ein blosses „Augen­blicks­versagen“, daher keinen Fall der groben Fahrlässigkeit darstelle.

Der für Versi­che­rungs­fragen zuständige 1. Zivilsenat des Oberlan­des­ge­richts Bamberg hat dem Versi­che­rungs­nehmer Recht gegeben. Er habe den Versi­che­rungsfall weder vorsätzlich noch durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt. Dieser der Versicherung obliegende Beweis sei nicht erbracht. Zwar stelle das Durchfahren einer Rotlicht zeigenden Signalanlage einen objektiv groben Pflichtverstoß dar; der Kläger habe allerdings Umstände dargelegt, die einen Rückschluss vom groben objektiven Pflichtverstoß auf eine subjektiv grobe Fahrlässigkeit verbiete. Der Senat ist dabei der ärztlicherseits attestierten Verar­bei­tungs­störung des Klägers gefolgt, wonach ein sogenanntes „Augen­blicks­versagen“ vorliege.

Ein erheblich gesteigertes Verschulden, wie es die grobe Fahrlässigkeit voraussetze, könne auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger trotz Kenntnis der ärztlich attestierten Impulsivität – Hyperaktivität – Verar­bei­tungs­störung die zum Unfall führende Fahrt angetreten habe. Der Gutachter habe nämlich ausgeführt, dass der Kläger im Laufe seines Lebens vielfältige Strategien der Signa­l­ver­a­r­beitung entwickelt habe, um die erlebten Defizite auszugleichen. Zudem spreche der Umstand, daß beim Kläger 26 Jahre lang ähnliche Ausfa­l­l­er­schei­nungen im Straßenverkehr nicht zu beobachten gewesen seien, für ihn.

Vorinstanz: LG Bamberg - 2 O 329/99

§ 61 VVG lautet:

Erläuterungen

„(Schuldhafte Herbeiführung des Versi­che­rungsfalls) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versi­che­rungs­nehmer den Versi­che­rungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Bamberg vom 17.12.2002, bearbeitet von der ra-online Redaktion

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