21.11.2024
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Dokument-Nr. 5518

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Urteil29.01.2008Oberlandesgericht Bamberg2 Ss Owi 125/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JuS 2008, 457 (Matthias Jahn)Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2008, Seite: 457, Entscheidungsbesprechung von Matthias Jahn
  • NJW 2008, 1543Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 1543
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Vorinstanz:
  • Amtsgericht Hof
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Bamberg Urteil29.01.2008

Entnahme von Zahngold aus der Asche Verstorbener ist strafbarPostmortales Persönlich­keitsrecht verletzt

Wer aus der Asche Verstorbener Zahngold entnimmt, macht sich strafbar. Dies hat das Oberlan­des­gericht Bamberg entschieden. Das Gericht sieht in der Wegnahme von Zahngold aus der nach der Verbrennung verbleibenden Asche von Verstorbenen den Straftatbestand des § 168 StGB "Störung der Totenruhe" als erfüllt an.

Drei Angeklagten aus dem Raum Hof wird vorgeworfen, als Beschäftigte im dortigen Krematorium in den Jahren 2005 und 2006 aus der nach der Verbrennung verbleibenden Asche von Verstorbenen mindestens 12 kg Zahngold gesammelt und dieses weiterverkauft zu haben. Hierdurch erzielten die Angeklagten einen Erlös in Höhe von mindestens 50.000 Euro, den sie zu gleichen Teilen unter sich aufteilten.

Amtsgericht Hof verneint Strafbarkeit gem. § 168 StGB "Störung der Totenruhe"

Das Amtsgericht Hof hatte die Angeklagten vom Vorwurf der Störung der Totenruhe freigesprochen, weil es der Meinung war, dass die Wegnahme des Zahngoldes, das aufgrund eines technischen Vorgangs nach der Verbrennung bereits separiert war, ein „menschen­wür­de­neu­traler und pietäts­neu­traler“ Vorgang sei, der nicht vom Schutzzweck des § 168 StGB erfasst werde.

OLB Bamberg sieht tatbestandliche Voraussetzungen des § 168 StGB als erfüllt an und hebt Freisprüche des AG Hof auf

Der 2. Strafsenat hat das Urteil am 29.01.2008 auf die Revision der Staats­an­walt­schaft Hof aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hof zurückverwiesen. Nach Auffassung des Senats verkennt die Entscheidung des Amtsgerichts die tatbe­stand­lichen Voraussetzungen und auch den Schutzzweck der 1. Alt. des Straf­tat­be­standes der Störung der Totenruhe (§ 168 StGB). Denn bei dem nach der Leichen­ver­brennung verbleibenden Zahngold handelt es sich um einen Teil der Asche eines verstorbenen Menschen, der von den Angeklagten aus dem Gewahrsam des Berechtigten weggenommen wurde.

Die Begründung des Senats lautete zusammengefasst:

Der Begriff „Asche eines verstorbenen Menschen“ umfasst grundsätzlich alle Arten von Verbren­nungs­rück­ständen. Teil der Asche sind somit auch die mit einem menschlichen Körper (zu Lebzeiten) fest verbundenen fremden Bestandteile, die nicht verbrennbar sind und als Verbren­nungs­rückstand verbleiben. Der Strafsenat hat darauf hingewiesen, dass sich der Gesetzgeber bei den Beratungen zum 3. Straf­recht­s­än­de­rungs­gesetz im Jahr 1953 veranlasst gesehen hat, die Asche in den Schutzbereich der Vorschrift des § 168 StGB aufzunehmen, um einer „Verstärkung des Schutzes der Totenruhe“ Rechnung zu tragen. Durch diese tatbe­stands­mäßige Erweiterung sollte eine vorhandene Lücke im Straf­rechts­schutz geschlossen und die Feuerbestattung mit der Erdbestattung gleichgestellt werden.

Zahngold muss als Teil der Asche genauso pietätvoll behandelt werden, wie erdbestattete Leichen selbst

Die Verbren­nungs­rück­stände einer Leiche genießen demnach insgesamt den gleichen Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie erdbestattete Leichen. Das Zahngold ist deshalb stets Teil der Asche des jeweils krematierten Verstorbenen und mit den sonstigen Verbren­nungs­rück­ständen eines Verstorbenen in einer Urne zur Bestattung zusam­men­zu­führen.

Da hinsichtlich der Leiche bzw. der Asche des Verstorbenen von einem Mitgewahrsam sowohl der toten­für­sor­ge­be­rech­tigten Angehörigen als auch des mit der Feuerbestattung beauftragten Betreibers dieser Anlage auszugehen ist, stellte die von den Angeklagten - entgegen den Anweisungen des Betreibers des Krematoriums - vorgenommene Wegnahme des Zahngoldes einen Gewahrsamsbruch dar, der die weiteren tatbe­stand­lichen Voraussetzungen des § 168 Abs. 1 StGB erfüllte.

Verhalten der Angeklagten verletzt Schutzzweck des § 168 StGB

Gemessen an der komplexen Schutzfunktion des § 168 StGB und vor allem im Hinblick auf das auch nach dem Tode fortwirkende Persön­lich­keitsrecht verstößt das Verhalten der Angeklagten gegen den Schutzzweck der Norm, weil sie Teile der Asche verstorbener Menschen als Handelsobjekt missbrauchten. Die über den Tod hinaus wirkende Würde des Menschen verbietet es, ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt.

Eine Strafbarkeit wegen eines Eigen­tums­delikts (z.B. Diebstahl) kommt demgegenüber nicht in Betracht, weil es sich bei dem menschlichen Leichnam und ebenso bei der Asche eines Verstorbenen nicht um eigentumsfähige Sachen handelt, die weggenommen werden können.

Quelle: ra-online, OLG Bamberg (pm)

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