Dokument-Nr. 2734
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil12.07.2006
Keine Übernahme der gesamten Heimkosten durch den Sozialhilfeträger
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat über drei Klagen verhandelt, mit denen die Kläger die Übernahme des von ihnen mit der Klinikum Wahrendorff GmbH vereinbarten Heimentgeltes in voller Höhe aus Sozialhilfemitteln begehren. Ferner wurden in insgesamt acht Verfahren betreffend die Pflegesätze für die Jahre 1995 bis 1998 Anträge des Klinikums Wahrendorff auf Zulassung der Berufung gegen Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27. Februar 2006 abgelehnt.
Das Klinikum Wahrendorff betreibt Einrichtungen für psychisch, geistig und mehrfach Behinderte in Niedersachsen. Die Kläger in den drei verhandelten Verfahren sind dort seit mehreren Jahren wegen psychischer Störungen und Suchtkrankheiten stationär untergebracht. Die beklagten Landkreise als Sozialhilfeträger lehnen eine Übernahme des Heimentgelts in voller Höhe ab.
In zwei der verhandelten Verfahren (4 LC 309/02 und 4 LB 312/05) hat der Sozialhilfeträger auf Grund vorläufiger Vereinbarungen zwischen dem Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie und dem Klinikum Wahrendorff oder auf Grund vorläufiger Festsetzungen der Schiedsstelle für das Land Niedersachsen Abschlagspflegesätze gezahlt, die niedriger sind als das von den Klägern begehrte Heimentgelt. Endgültige Vereinbarungen über das vom Sozialhilfeträger zu übernehmende Entgelt stehen noch aus.
In dem dritten verhandelten Verfahren (4 LC 14/03), in dem es um die Übernahme der Kosten für die Unterbringung und Betreuung des Klägers in einer sog. Außenwohngruppe geht, bestehen weder vorläufige noch endgültige Vereinbarungen hinsichtlich des hierfür zu übernehmenden Entgelts.
Die Verwaltungsgerichte haben in allen drei Verfahren den Sozialhilfeträger zur Übernahme des Heimentgeltes in voller Höhe verpflichtet, weil in den Fällen, in denen weder endgültige Vereinbarungen zwischen Einrichtungs- und Sozialhilfeträger noch bestandskräftige Festsetzungen der Schiedsstelle hinsichtlich der zu übernehmenden Pflegesätze vorlägen, der Sozialhilfeträger gegenüber dem Hilfeempfänger auf Grund des sozialhilferechtlichen Bedarfsdeckungsgrundsatzes zur Kostenübernahme verpflichtet sei, wenn er dem Hilfesuchenden keine anderweitige ebenso geeignete Unterbringungsmöglichkeit nachweise.
Die beklagten Landkreise haben gegen diese Urteile jeweils Berufung eingelegt, weil sie der Auffassung sind, dass die Vereinbarung von endgültigen Pflegesätzen vorrangig sei und die insoweit schwebenden Verfahren nicht dadurch "ausgehebelt" werden dürften, dass der Sozialhilfeträger verpflichtet werde, während der laufenden Pflegesatzverfahren das volle Heimentgelt zu übernehmen.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat - hat die Klagen in den Verfahren 4 LC 309/02 und 4 LB 312/05, in denen Abschlagspflegesätze gezahlt worden sind, abgewiesen, weil die Kläger gegenüber dem Sozialhilfeträger über die an das Klinikum Wahrendorff gezahlten Abschläge hinaus keinen Anspruch auf die Übernahme von Heimkosten aus Sozialhilfemitteln haben.
Die auf Grund vorläufiger Festsetzungen der Schiedsstelle oder auf Grund vorläufiger Vereinbarungen gezahlten Abschläge entfalten Sperrwirkung gegenüber der Annahme eines Sonderfalles, in dem ausnahmsweise das volle Heimentgelt übernommen werden kann. Für die Annahme eines solchen Sonderfalles bleibt nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen nur dann Raum, wenn weder vorläufige noch endgültige Vereinbarungen zwischen dem Einrichtungsträger und dem Land Niedersachsen als dem zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger getroffen und auch keine Abschläge an den Einrichtungsträger gezahlt worden sind.
In dem Verfahren der sog. Außenwohngruppe (4 LC 14/03) hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat - zwar einen solchen Sonderfall angenommen, weil in diesem Fall Vereinbarungen nicht bestanden und auch keine Abschläge gezahlt worden sind. Gleichwohl hat es den geltend gemachten Kostenübernahmeanspruch als nicht begründet angesehen, weil für diese Einrichtung ein den gesetzlichen Anforderungen genügendes Leistungsangebot vom Einrichtungsträger nicht vorgelegt worden ist.
In acht Beschlüssen vom 11. Juli 2006 (4 LA 62/06 u.a.) hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat - über Anträge auf Zulassung der Berufung gegen Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27. Februar 2006 entschieden und die Zulassungsanträge abgelehnt. In diesen Urteilen hat das Verwaltungsgericht Hannover Entscheidungen der beigeladenen Schiedsstelle über die für das Klinikum Wahrendorff in den Jahren 1995 bis 1998 geltenden Pflegesätze aufgehoben. Das Verwaltungsgericht ist mit seinen Entscheidungen einem Grundsatzurteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. August 2005 (4 L 811/99) gefolgt. Durch die Ablehnung der Zulassungsanträge sind die Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover rechtskräftig geworden. Die Schiedsstelle wird daher für diese Jahre neue Verfahren durchführen und in deren Rahmen zur Ermittlung leistungsgerechter Entgelte die von dem Klinikum Wahrendorff begehrten Pflegesätze mit den Pflegesätzen anderer Einrichtungen vergleichen müssen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.08.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG Niedersachsen vom 13.07.2006
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