15.11.2024
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Dokument-Nr. 2734

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Urteil12.07.2006Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht4 LC 309/02, 4 LB 312/05, 4 LC 14/03
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil12.07.2006

Keine Übernahme der gesamten Heimkosten durch den Sozia­l­hil­fe­träger

Das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht hat über drei Klagen verhandelt, mit denen die Kläger die Übernahme des von ihnen mit der Klinikum Wahrendorff GmbH vereinbarten Heimentgeltes in voller Höhe aus Sozia­l­hil­fe­mitteln begehren. Ferner wurden in insgesamt acht Verfahren betreffend die Pflegesätze für die Jahre 1995 bis 1998 Anträge des Klinikums Wahrendorff auf Zulassung der Berufung gegen Urteile des Verwal­tungs­ge­richts Hannover vom 27. Februar 2006 abgelehnt.

Das Klinikum Wahrendorff betreibt Einrichtungen für psychisch, geistig und mehrfach Behinderte in Niedersachsen. Die Kläger in den drei verhandelten Verfahren sind dort seit mehreren Jahren wegen psychischer Störungen und Sucht­krank­heiten stationär untergebracht. Die beklagten Landkreise als Sozia­l­hil­fe­träger lehnen eine Übernahme des Heimentgelts in voller Höhe ab.

In zwei der verhandelten Verfahren (4 LC 309/02 und 4 LB 312/05) hat der Sozia­l­hil­fe­träger auf Grund vorläufiger Vereinbarungen zwischen dem Nieder­säch­sischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie und dem Klinikum Wahrendorff oder auf Grund vorläufiger Festsetzungen der Schiedsstelle für das Land Niedersachsen Abschlags­pfle­gesätze gezahlt, die niedriger sind als das von den Klägern begehrte Heimentgelt. Endgültige Vereinbarungen über das vom Sozia­l­hil­fe­träger zu übernehmende Entgelt stehen noch aus.

In dem dritten verhandelten Verfahren (4 LC 14/03), in dem es um die Übernahme der Kosten für die Unterbringung und Betreuung des Klägers in einer sog. Außenwohngruppe geht, bestehen weder vorläufige noch endgültige Vereinbarungen hinsichtlich des hierfür zu übernehmenden Entgelts.

Die Verwal­tungs­ge­richte haben in allen drei Verfahren den Sozia­l­hil­fe­träger zur Übernahme des Heimentgeltes in voller Höhe verpflichtet, weil in den Fällen, in denen weder endgültige Vereinbarungen zwischen Einrichtungs- und Sozia­l­hil­fe­träger noch bestands­kräftige Festsetzungen der Schiedsstelle hinsichtlich der zu übernehmenden Pflegesätze vorlägen, der Sozia­l­hil­fe­träger gegenüber dem Hilfeempfänger auf Grund des sozia­l­hil­fe­recht­lichen Bedarfs­de­ckungs­grund­satzes zur Kostenübernahme verpflichtet sei, wenn er dem Hilfesuchenden keine anderweitige ebenso geeignete Unter­brin­gungs­mög­lichkeit nachweise.

Die beklagten Landkreise haben gegen diese Urteile jeweils Berufung eingelegt, weil sie der Auffassung sind, dass die Vereinbarung von endgültigen Pflegesätzen vorrangig sei und die insoweit schwebenden Verfahren nicht dadurch "ausgehebelt" werden dürften, dass der Sozia­l­hil­fe­träger verpflichtet werde, während der laufenden Pflege­satz­ver­fahren das volle Heimentgelt zu übernehmen.

Das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht - 4. Senat - hat die Klagen in den Verfahren 4 LC 309/02 und 4 LB 312/05, in denen Abschlags­pfle­gesätze gezahlt worden sind, abgewiesen, weil die Kläger gegenüber dem Sozia­l­hil­fe­träger über die an das Klinikum Wahrendorff gezahlten Abschläge hinaus keinen Anspruch auf die Übernahme von Heimkosten aus Sozia­l­hil­fe­mitteln haben.

Die auf Grund vorläufiger Festsetzungen der Schiedsstelle oder auf Grund vorläufiger Vereinbarungen gezahlten Abschläge entfalten Sperrwirkung gegenüber der Annahme eines Sonderfalles, in dem ausnahmsweise das volle Heimentgelt übernommen werden kann. Für die Annahme eines solchen Sonderfalles bleibt nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen nur dann Raum, wenn weder vorläufige noch endgültige Vereinbarungen zwischen dem Einrich­tungs­träger und dem Land Niedersachsen als dem zuständigen überörtlichen Sozia­l­hil­fe­träger getroffen und auch keine Abschläge an den Einrich­tungs­träger gezahlt worden sind.

In dem Verfahren der sog. Außenwohngruppe (4 LC 14/03) hat das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht - 4. Senat - zwar einen solchen Sonderfall angenommen, weil in diesem Fall Vereinbarungen nicht bestanden und auch keine Abschläge gezahlt worden sind. Gleichwohl hat es den geltend gemachten Kosten­über­nah­mean­spruch als nicht begründet angesehen, weil für diese Einrichtung ein den gesetzlichen Anforderungen genügendes Leistungs­angebot vom Einrich­tungs­träger nicht vorgelegt worden ist.

In acht Beschlüssen vom 11. Juli 2006 (4 LA 62/06 u.a.) hat das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht - 4. Senat - über Anträge auf Zulassung der Berufung gegen Urteile des Verwal­tungs­ge­richts Hannover vom 27. Februar 2006 entschieden und die Zulas­sungs­anträge abgelehnt. In diesen Urteilen hat das Verwal­tungs­gericht Hannover Entscheidungen der beigeladenen Schiedsstelle über die für das Klinikum Wahrendorff in den Jahren 1995 bis 1998 geltenden Pflegesätze aufgehoben. Das Verwal­tungs­gericht ist mit seinen Entscheidungen einem Grundsatzurteil des Nieder­säch­sischen Oberver­wal­tungs­ge­richts vom 24. August 2005 (4 L 811/99) gefolgt. Durch die Ablehnung der Zulas­sungs­anträge sind die Urteile des Verwal­tungs­ge­richts Hannover rechtskräftig geworden. Die Schiedsstelle wird daher für diese Jahre neue Verfahren durchführen und in deren Rahmen zur Ermittlung leistungs­ge­rechter Entgelte die von dem Klinikum Wahrendorff begehrten Pflegesätze mit den Pflegesätzen anderer Einrichtungen vergleichen müssen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG Niedersachsen vom 13.07.2006

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