Dokument-Nr. 2290
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Urteil26.04.2006
Keine Leistungsvereinbarung zwischen Diakonischen Heimen und dem niedersächsischen Landessozialamt
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat über ein Berufungsverfahren entschieden, in dem der Diakonische Heime in Kästorf e.V. als Einrichtungsträger und das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie - Landessozialamt - als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für das Land Niedersachsen darüber streiten, ob zwischen ihnen eine Leistungsvereinbarung besteht bzw. der Beklagte zum Abschluss einer solchen Vereinbarung verpflichtet ist.
Der Kläger betreibt in Gifhorn stationäre und ambulante Einrichtungen im Bereich der Hilfe nach § 72 BSHG für Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, sowie in den Bereichen der Eingliederungshilfe, der Hilfe zur Pflege, der Pflegeleistungen nach dem SGB XI und der Jugendhilfe.
Das entschiedeneVerfahren betrifft die seit 1985 betriebene "Krankenstation Kästorf", in der 14 stationäre Plätze für Bewohner der stationären Einrichtungen des Klägers vorgehalten werden, die erkrankt sind und ärztlicher Behandlung, aber keiner stationären Krankenhausbehandlung bedürfen. Für diese Einrichtung sind zwischen den Beteiligten in der Vergangenheit bis 2001 auf der Grundlage landesrahmenvertraglicher Regelungen jeweils Entgelte vereinbart worden. Ab 2002 sind zwischen den Beteiligten keine Vereinbarungen mehr zustande gekommen. Der Kläger ist einem neuen Landesrahmenvertrag nicht beigetreten. Das Angebot des Klägers an den Beklagten, mit ihm eine neue Leistungs- und Vergütungsvereinbarung abzuschließen, hat der Beklagte abgelehnt und vorsorglich etwaige bestehende Vereinbarungen zum 31. Dezember 2002 gekündigt.
Der Kläger hat zwei Klagen erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass zwischen ihm und dem Beklagten für die "Krankenstation Kästorf" bereits eine Leistungsvereinbarung besteht und dass diese Leistungsvereinbarung nicht durch die Kündigung des Beklagten beendet worden ist. Hilfsweise hat er beantragt, den Beklagten zu verurteilen, sein Angebot zum Abschluss einer Leistungsvereinbarung anzunehmen.
Das Verwaltungsgericht Hannover hat die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Leistungsvereinbarung zwischen den Beteiligten mangels eines schriftlich abgeschlossenen Vertrages nicht vorliege. Zwar habe der Beklagte, solange das Verhältnis zu Einrichtungsträgern durch den Landesrahmenvertrag gestaltet worden sei, davon abgesehen, nach den Vorschriften der §§ 93 ff. BSHG über den Abschluss von Vereinbarungen zu verfahren. Daraus folge jedoch auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dass nunmehr von einem entgegen den Formvorschriften des Gesetzes bestehenden öffentlich-rechtlichen Vertrag auszugehen sei. Ein Anspruch auf Annahme des Leistungsangebotes des Klägers scheitere daran, dass der Beklagte zur Gewährung der angebotenen Leistungen nicht zuständig sei. Denn der Kläger erbringe in der Krankenstation keine Leistungen nach § 72 BSHG, für die der Beklagte zuständig sei, sondern Krankenbehandlung und damit Leistungen nach dem SGB V, für welche die Krankenkassen zuständig seien.
Die hiergegen gerichteten Berufungen des Klägers hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit u.a. folgender Begründung zurückgewiesen:
Eine Leistungsvereinbarung zwischen den Beteiligten besteht nicht, da ein schriftlicher Vertrag nicht abgeschlossen worden ist und damit das für öffentlich-rechtliche Verträge geltende Schriftformerfordernis nicht eingehalten worden ist. Die Berufung auf die Formnichtigkeit ist auch nicht ausnahmsweise nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass unmittelbar durch die Landesrahmenverträge, denen die Beteiligten beigetreten sind, eine Leistungsvereinbarung zustande gekommen ist. Denn die Landesrahmenverträge liefern nur den Rahmen für noch abzuschließende einrichtungsbezogene Vereinbarungen, können aber nach Funktion und Inhalt nicht die für die jeweilige Einrichtung erforderlichen Vereinbarungen ersetzen.
Der Kläger kann auch nicht beanspruchen, dass der Beklagte sein Angebot zum Abschluss einer Leistungsvereinbarung annimmt. Ein Rechtsanspruch auf Abschluss von Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG besteht ohnehin nicht. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte erneut über den Abschluss einer Leistungsvereinbarung auf der Grundlage des Angebotes des Klägers entscheidet, da nicht ersichtlich ist, dass dem Beklagten bei der Ablehnung Ermessensfehler unterlaufen sind. Der Kläger kann nur verlangen, dass über sein Leistungsangebot für die Zukunft entschieden wird; der Abschluss einer rückwirkenden Leistungsvereinbarung kommt nicht in Betracht. Bei den von dem Kläger nach seinem Leistungsangebot in der "Krankenstation Kästorf" angebotenen Leistungen handelt es sich nicht um Leistungen nach § 72 BSHG, sondern um Leistungen, die zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören. Da der Beklagte für diese Leistungen nicht zuständig ist, kann er darüber auch keine Leistungsvereinbarung abschließen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.04.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG Niedersachsen vom 26.04.2006
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