21.11.2024
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Dokument-Nr. 31208

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Beschluss21.12.2021Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht13 MN 478/21
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss21.12.2021

Keine vorläufige Außer­voll­zug­setzung der coronabedingten Weihnachts- und Neujahrsruhe in Niedersachsen

Der 13. Senat des Nieder­säch­sischen Oberverwaltungs­gerichts hat einen Normen­kontrol­leil­antrag eines Anwalts aus Hannover, der sich auch gegen § 3 Abs. 5 Satz 1 der Nieder­säch­sischen Corona-Verordnung (im Folgenden: Corona-VO) richtete, abgelehnt (Az.: 13 MN 478/21). § 3 Abs. 5 Satz 1 Corona-VO stellt für den Zeitraum vom 24. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 2. Januar 2022 landesweit die Warnstufe 3 für das Land Niedersachsen fest (sog. Weihnachts- und Neujahrsruhe).

Der 13. Senat hat konstatiert, dass die Feststellung der Warnstufe 3 sich zwar offensichtlich nicht an den in §§ 2 und 3 Corona-VO bestimmten Indikatoren (7-Tage-Hospi­ta­li­sie­rungs­in­zidenz, 7-Tage-Inzidenz und prozentualer Anteil der mit COVID-19-Erkrankten belegten Intensivbetten an der Inten­siv­bet­ten­ka­pazität) und den für diese festgesetzten Wertebereichen und Schwellenwerten für die einzelnen Warnstufen orientiere. Dies erwecke vordergründig durchaus den Eindruck, die Feststellung der Warnstufe 3 für die Zeit vom 24. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 2. Januar 2022 sei willkürlich und ohne Anknüpfung an das tatsächliche Infek­ti­o­ns­ge­schehen erfolgt.

Bei genauerer Betrachtung und unter Berück­sich­tigung der vom Verord­nungsgeber gegebenen Begründung erweise sich die in § 3 Abs. 5 Satz 1 Corona-VO getroffene Feststellung aber nur als ein rechts­tech­nisches Instrument, um ganz bestimmte Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen zur Geltung zu bringen bzw. diese "anzuschalten". Diese Regelungs­technik sei nicht von vorneherein deshalb rechtswidrig, weil sie nicht an den in der Corona-VO bestimmten Indikatoren, Wertebereichen und Schwellenwerten für die einzelnen Warnstufen ausgerichtet sei. Denn an diese Bestimmungen sei der Verord­nungsgeber dieser Verordnung nicht selbst gebunden. So wäre es dem Verord­nungsgeber ohne Weiteres auch möglich gewesen, anstelle der Feststellung der Warnstufe 3 für die Zeit vom 24. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 2. Januar 2022 besondere Regelungen vorzusehen (so bspw. für den Bereich der Kontakt­be­schrän­kungen in § 7 a Abs. 4 Corona-VO) oder aber die Schwellenwerte des § 2 Abs. 2 Corona-VO zu verändern.

Für den 13. Senat bestanden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verord­nungsgeber die mit der Feststellung der Warnstufe 3 für die Zeit vom 24. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 2. Januar 2022 verbundene "Anschaltung" von Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen nicht an den Maßgaben insbesondere der §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 3 IfSG orientiert hätte. Die in § 3 Abs. 5 Satz 1 Corona-VO getroffene Feststellung erweitere maßgeblich die Anwendung der sog. 2-G-Plus-Regelung und die FFP2-Maskenpflicht, verbiete Tanzver­an­stal­tungen, Veranstaltungen mit mehr als 500 Personen in geschlossenen Räumen, Messen und Weihnachts­märkte sowie schließe Diskotheken, Clubs und Shisha-Bars für den Kunden- und Besucherverkehr.

Richter: Diese Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen sind bei summarischer Prüfung derzeit notwendig und auch angemessen

Das an den Indikatoren des § 28 a Abs. 3 IfSG gemessene tatsächliche Infek­ti­o­ns­ge­schehen im Land Niedersachsen erscheine mit teilweise dem oberen Wertebereich der Warnstufe 1 (7-Tage-Hospi­ta­li­sie­rungs­in­zidenz: 5,3 und Inten­siv­bet­te­n­aus­lastung: 10, %) und teilweise dem mittleren Wertebereich der Warnstufe 2 (7-Tage-Inzidenz: 173,4) derzeit durchaus beherrschbar. Die beurteilten Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen bezögen sich aber auf den Zeitraum vom 24. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 2. Januar 2022. Dieser sei gekennzeichnet durch die Feiertage um Weihnachten, Silvester und Neujahr sowie den damit verbundenen verstärkten Reiseverkehr und zahlreiche auch überregionale Kontakte in Familien und zwischen Freunden, denen schon als solchen eine hohe Relevanz für das Infek­ti­o­ns­ge­schehen zukomme. Hiermit sei nahezu zwangsläufig verbunden, dass einem ansonsten lokal begrenzten Infek­ti­o­ns­ge­schehen (bspw. in Diskotheken, auf Weihnachts­märkten, bei Veranstaltungen in Gastro­no­mie­be­trieben mit/oder ohne Tanz) eine überregionale Bedeutung zukommen könne, etwa, wenn infizierte Personen vor Feststellung der Infektion wieder die Heimreise anträten. Zudem seien nach § 28 a Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz IfSG auch absehbare Änderungen des Infek­ti­o­ns­ge­schehens durch ansteckendere, das Gesund­heits­system stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen. Der Senat habe hierzu bereits in seiner Entscheidung zur 2-G-Regelung im Einzelhandel (siehe die PM Nr. 65 v. 16.12.2021) angenommen, dass ernst zu nehmende Anhaltspunkte für eine leichtere Übertragbarkeit der Omikron-Variante bestünden. Dieser Anhalt habe sich in den vergangenen Tagen weiter bestätigt. Hinzu komme die Gefahr, dass ein bestehender Immunschutz unterlaufen werde (sog. Immunevasion).

Dem danach tatsächlich gegebenen und in absehbarer Zeit erwarteten Infek­ti­o­ns­ge­schehen begegneten die Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen in Bereichen, die besonders infek­ti­o­ns­re­levant seien. Während für den Einzelhandel die Infek­ti­o­ns­re­levanz sehr gering sei, bestehe für den Senat kein vernünftiger Zweifel, dass in Sport- und Freizei­t­ein­rich­tungen aufgrund der Vielzahl gleichzeitig aufein­an­der­tref­fender, regelmäßig einander unbekannter Personen mit längerer Verweildauer in geschlossenen Räumen stets ein signifikant erhöhtes Infek­ti­o­ns­risiko bestehe. Dieses Risiko steige mit zunehmender Personendichte und zunehmenden Perso­ne­n­ak­ti­vitäten. Abhängig vom Infek­ti­o­ns­risiko und -geschehen erachte auch das RKI in seiner "ControlCOVID-Strategie" Beschränkungen des Zugangs auf geimpfte und genesene Personen bis hin zu Schließungen von Sport- und Freizei­t­ein­rich­tungen für erforderlich. Gleichsam bestünden - anders als bei der 2-G-Regelung im Einzelhandel - keine vernünftigen Zweifel, dass den Maßnahmen eine das Infek­ti­o­ns­ge­schehen erheblich reduzierende Wirkung zukommen könne. Dabei unterschieden die Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen durchaus nach der Infek­ti­o­ns­gefahr und der Möglichkeit, diese durch Schutzmaßnahmen zu verringern. So bezögen sich die drastischen Maßnahmen - die Verbote von Tanzver­an­stal­tungen, von Veranstaltungen mit mehr als 500 Personen in geschlossenen Räumen, von Messen und von Weihnachts­märkten sowie die Schließung von Diskotheken, Clubs und Shisha-Bars - auf Geschehen, die nicht nur durch das Zusammentreffen einer Vielzahl von Personen in geschlossenen Räumen, sondern durch zusätzliche, die Infek­ti­o­ns­ge­fahren erhöhende Aspekte gekennzeichnet seien. Dazu gehörten etwa eine Erhöhung der absoluten Zahl von Perso­nen­kon­takten, vermehrte unmittelbare Perso­nen­kontakte und körperliche Aktivitäten sowie eine nicht durchgehend gewährleistete Befolgung und Durchsetzung von Basis­schutz­maß­nahmen wie der Maskenpflicht. Angesichts der befürchteten Immunevasion der Omikron-Variante dürfte in diesen besonders infek­ti­o­ns­re­le­vanten Bereichen auch der Übergang von der bisher geltenden 2-G-Plus-Regelung zur vollständigen Schließung nicht zu beanstanden sein.

In dieser Relation - derzeit beherrschbares, aber absehbar durch die Feiertage um Weihnachten, Silvester und Neujahr sowie die neue Virusvariante beeinflusstes Infek­ti­o­ns­ge­schehen, hohe Wirkung der angeordneten Infek­ti­o­ns­schutz­maß­nahmen und keine vergleichbar effektiven, aber weniger eingriff­sin­tensiven Maßnahmen - erschienen auch die mit den Maßnahmen verbundenen, insbesondere bei den Verboten und Schließungen ganz erheblichen Eingriffe in Grundrechte derzeit angemessen.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, ra-online (pm/pt)

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