Landesarbeitsgericht Mainz Urteil19.11.2015
Bezahlte Freistellung zwecks Überstundenabbaus: Keine Pflicht des Arbeitgebers zur Nachgewährung der durch Krankheit verlorenen ÜberstundenKein Einfluss der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auf Arbeitsbefreiung
Hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zwecks Überstundenabbaus bezahlt von der Arbeit freigestellt, so kann der Arbeitnehmer nicht die Nachgewährung von verlorenen Überstunden verlangen, wenn er während des Freistellungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit hat keinen Einfluss auf die Arbeitsbefreiung. Dies geht aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mainz hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im September 2014 wurde ein Industriemechaniker zwecks Abbaus eines Teils seiner 472 Überstunden von seiner Arbeitgeberin bezahlt von der Arbeit freigestellt. Während des Freistellungszeitraums erkrankte der Arbeitnehmer jedoch arbeitsunfähig. Trotz dieser Arbeitsunfähigkeit kürzte die Arbeitgeberin die Überstunden. Damit war der Arbeitnehmer nicht einverstanden und erhob daher Klage.
Arbeitsgericht hielt Überstundenkürzung trotz Arbeitsunfähigkeit für rechtens
Das Arbeitsgericht Trier hielt die Überstundenkürzung trotz Arbeitsunfähigkeit für rechtens. Denn grundsätzlich trage der Arbeitnehmer bei wirksamer Freistellung das Risiko, die gewonnene Freizeit aufgrund einer Erkrankung nicht nach seinen Vorstellungen nutzen zu können. Zudem scheide eine entsprechende Anwendung von § 9 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) aus. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitnehmer Berufung ein.
Landesarbeitsgericht verneint ebenfalls Anspruch auf Gutschrift auf Arbeitszeitkonto
Das Landesarbeitsgericht Mainz bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Berufung des Arbeitnehmers zurück. Ihm habe kein Anspruch darauf zugestanden, eine Gutschrift auf sein Arbeitszeitkonto entsprechend seiner Krankheitstage zu erhalten. Die Arbeitgeberin sei berechtigt gewesen, den Arbeitnehmer zwecks Überstundenabbaus freizustellen. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit habe darauf keinen Einfluss gehabt. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet gewesen, die durch die Krankheit verlorenen Überstunden nachzugewähren.
Berechtigung zur Arbeitsbefreiung zwecks Überstundenabbaus
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts sei die Arbeitgeberin berechtigt gewesen, zwecks Abbaus der Überstunden den Arbeitnehmer bezahlt von der Arbeit freizustellen. Denn diese Möglichkeit sei nicht nur im Arbeitsvertrag geregelt gewesen. Vielmehr stehe einem Arbeitgeber auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers im Rahmen seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 der Gewerbeordnung das Recht zu, ein Freizeitausgleich anzuordnen.
Keine entsprechende Anwendung von § 9 BUrlG
Eine entsprechende Anwendung von § 9 BUrlG, wonach die Tage der Arbeitsunfähigkeit während der Urlaubszeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden, schloss das Landesarbeitsgericht aus. Denn diese Ausnahmeregelung gelte nur für den Erholungsurlaub. Der Freizeitausgleich zum Abbau von Überstunden sei mit einer Urlaubsgewährung nicht vergleichbar. Die Arbeitsbefreiung diene nicht einem zusätzlichen Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers, sondern der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.02.2016
Quelle: Landesarbeitsgericht Mainz, ra-online (vt/rb)