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- Sozialgericht Oldenburg, Urteil20.06.2001, S 6 KR 111/00
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil16.07.2003
Viagra auf Krankenschein
Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, das Medikament Viagra als Versicherungsleistung zu gewähren.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn aus körperlicher Krankheitsursache eine erektile Dysfunktion besteht. Die gesetzliche Pflicht zur humanen Krankenbehandlung hat Vorrang vor dem Wirtschaftlichkeitsgebot, unter dem die Krankenkassen stehen. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat deshalb am 16.07.2003 die Berufung einer Krankenkasse zurückgewiesen, mit der ein Anspruch eines Rentners auf das Arzneimittel Viagra ausgeschlossen werden sollte.
Der jetzt 59jährige leidet wegen der Folgen einer Strahlentherapie bei Prostatakarzinom sowie Diabetes mellitus an einer behandlungsbedürftigen Erektionsschwäche. Viagra ermöglicht eine einfache und schmerzfreie Behandlung, die nicht mit inhumanen Zumutungen beim Intimverkehr wie etwa Injektion in den Schwellkörper des Penis oder Einsatz mechanischer Mittel verbunden ist.
Nach Auffassung des LSG steht der Leistungspflicht der Krankenkassen nicht entgegen, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BA) in seinen Richtlinien u. a. Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion von der Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung ausgenommen hat. Denn der BA darf gegenüber den Versicherten Leistungen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausschließen. Dies betrifft die Behandlung bestimmter Krankheiten oder Krankheitserscheinungen. Auch die Untersagung der Verordnung (angeblich) unwirtschaftlicher Arzneimittel ist ihm untersagt. Ein solcher Ausschluss ist vielmehr nur durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie möglich.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.01.2005
Quelle: Pressemitteilung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 06.08.2003
der Leitsatz
1. Das Arzneimittel Viagra darf in der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
2. Nr. 17.1f der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 3.8.1998, gültig ab 30.9.1998 (BAnz Nr. 182, 14491), die "Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion" aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließt, ist nichtig.
3. Die erektile Dysfunktion ist grundsätzlich dann eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie auf somatischen Ursachen beruht.
4. Das Wirtschaftlichkeitsgebot der gesetzlichen Krankenversicherung § 12 Abs. 1 SGB V) hat dort zurückzustehen, wo die Pflicht zur humanen Krankenbehandlung (§ 70 Abs. 2 SGB V) verletzt wird.
5. Kann die erektile Dysfunktion mit dem Arzneimittel Viagra erfolgreich behandelt werden, ist eine Verweisung des Versicherten auf eine Injektionstherapie oder auf mechanische Hilfsmittel grundsätzlich unzumutbar.
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