21.11.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 220

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Urteil16.07.2003Landessozialgericht Niedersachsen-BremenL 4 KR 162/01
Vorinstanz:
  • Sozialgericht Oldenburg, Urteil20.06.2001, S 6 KR 111/00
ergänzende Informationen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil16.07.2003

Viagra auf Krankenschein

Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, das Medikament Viagra als Versi­che­rungs­leistung zu gewähren.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn aus körperlicher Krank­heits­ursache eine erektile Dysfunktion besteht. Die gesetzliche Pflicht zur humanen Kranken­be­handlung hat Vorrang vor dem Wirtschaft­lich­keitsgebot, unter dem die Krankenkassen stehen. Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat deshalb am 16.07.2003 die Berufung einer Krankenkasse zurückgewiesen, mit der ein Anspruch eines Rentners auf das Arzneimittel Viagra ausgeschlossen werden sollte.

Der jetzt 59jährige leidet wegen der Folgen einer Strah­len­therapie bei Prosta­ta­ka­rzinom sowie Diabetes mellitus an einer behand­lungs­be­dürftigen Erekti­o­ns­schwäche. Viagra ermöglicht eine einfache und schmerzfreie Behandlung, die nicht mit inhumanen Zumutungen beim Intimverkehr wie etwa Injektion in den Schwellkörper des Penis oder Einsatz mechanischer Mittel verbunden ist.

Nach Auffassung des LSG steht der Leistungs­pflicht der Krankenkassen nicht entgegen, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BA) in seinen Richtlinien u. a. Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion von der Verordnung in der vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung ausgenommen hat. Denn der BA darf gegenüber den Versicherten Leistungen aus der Gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung nicht ausschließen. Dies betrifft die Behandlung bestimmter Krankheiten oder Krank­heits­er­schei­nungen. Auch die Untersagung der Verordnung (angeblich) unwirt­schaft­licher Arzneimittel ist ihm untersagt. Ein solcher Ausschluss ist vielmehr nur durch Rechts­ver­ordnung des Bundes­mi­nis­teriums für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundes­mi­nis­terium für Wirtschaft und Technologie möglich.

Quelle: Pressemitteilung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 06.08.2003

der Leitsatz

1. Das Arzneimittel Viagra darf in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung verordnet werden.

2. Nr. 17.1f der Richtlinien des Bundes­aus­schusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung vom 3.8.1998, gültig ab 30.9.1998 (BAnz Nr. 182, 14491), die "Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion" aus der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ausschließt, ist nichtig.

3. Die erektile Dysfunktion ist grundsätzlich dann eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung, wenn sie auf somatischen Ursachen beruht.

4. Das Wirtschaft­lich­keitsgebot der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung § 12 Abs. 1 SGB V) hat dort zurückzustehen, wo die Pflicht zur humanen Kranken­be­handlung (§ 70 Abs. 2 SGB V) verletzt wird.

5. Kann die erektile Dysfunktion mit dem Arzneimittel Viagra erfolgreich behandelt werden, ist eine Verweisung des Versicherten auf eine Injek­ti­o­ns­therapie oder auf mechanische Hilfsmittel grundsätzlich unzumutbar.

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