21.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 30928

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Beschluss04.10.2021

Krankenkasse muss Elektro­rollstuhl für Blinde übernehmenBlindheit rechtfertigt nicht Verwehrung eines Elektro­roll­stuhls

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Versorgung eines Multiple-Sklerose(MS)-Patienten mit einem Elektro­rollstuhl nicht wegen Blindheit verweigert werden darf.

Wegen einer MS konnte ein 57-jähriger Mann immer schlechter gehen. Zuletzt war er deshalb mit einem Greifreifen-Rollstuhl versorgt. Im Jahr 2018 verschlimmerte sich die Krankheit und ein Arm wurde kraftlos. Den Rollstuhl konnte er seitdem nur noch mit kleinen Trippel­schritten bewegen. Bei seiner Krankenkasse beantragte er die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl. Diese lehnte den Antrag ab, da der Mann blind und damit nicht verkehr­s­tauglich sei. Auch bei zulas­sungs­freien Kraftfahrzeugen wie einem Elektro­rollstuhl führe Blindheit nach ihrer Auffassung generell zu einer fehlenden Eignung. Denn eine Eigen- und Fremdgefährdung lasse sich bei Blinden nicht ausschließen. Dafür könne die Kasse nicht haften. Dem hielt der Mann entgegen, dass er sich mit dem Langstock schon früher gut orientieren konnte. Das habe er nun auch im Elektro­rollstuhl trainiert. Einen Handrollstuhl könne er nicht mehr bedienen und ohne fremde Hilfe könne er das Haus sonst nicht mehr verlassen.

LSG: Ablehnung weder aus generellen noch aus individuellen Gründen gerechtfertigt

Das LSG hat die Kasse zur Gewährung des Elektro­roll­stuhls verpflichtet. Es sei inakzeptabel, den Mann auf die behelfsmäßige Fortbewegung mit dem bisherigen Rollstuhl zu verweisen. Sehbe­ein­träch­ti­gungen seien kein genereller Grund, eine Verkehr­s­taug­lichkeit bei Elektro­roll­stühlen abzulehnen. Es seien auch keine individuellen Gründe bei dem Mann gegeben, aus denen er mit einem Elektro­rollstuhl nicht umgehen könne. Dies habe ein gerichtlicher Sachver­ständiger festgestellt. Etwaige Restge­fähr­dungen seien dem Bereich der Eigen­ver­ant­wortung zuzuordnen und in Kauf zu nehmen. Dabei hat das Gericht dem neuen, dynamischen Behin­der­ten­begriff eine zentrale Bedeutung beigemessen. Es sei die Aufgabe des Hilfs­mit­tel­rechts, dem Behinderten ein möglichst selbst­be­stimmtes Leben zu ermöglichen und nicht, ihn von sämtlichen Lebensgefahren fernzuhalten und ihn damit einer weitgehenden Unmündigkeit anheimfallen zu lassen.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, ra-online (pm/ab)

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