03.12.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 32253

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil13.09.2022

Behinderte Menschen haben weiten Spielraum bei der Auswahl ihrer HilfsmittelLandes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen stärkt Selbst­bestimmungs­recht von Rollstuhl­fahrern

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass dem Wunsch- und Wahlrecht von Behinderten bei der Hilfsmittel­versorgung weiter Raum zu gewähren ist.

Ausgangspunkt war das Verfahren eines 49-jährigen, querschnitts­ge­lähmten Mannes. Er war bislang mit einem Aktivrollstuhl nebst mechanischem Zuggerät (Handbike) versorgt. Wegen nachlassender Kraft und zunehmender Schul­ter­be­schwerden beantragte er bei seiner Krankenkasse ein elektrisch unterstütztes Zuggerät. Die Kasse lehnte den Antrag ab und bot dem Mann stattdessen einen Elektrorollstuhl an. Ein elektrisch unterstütztes Zuggerät möge zwar wünschenswert, hilfreich und sinnvoll sein. Gleichwohl stelle es eine nicht notwendige Überversorgung dar, weil die Basismobilität auch mit einem rein elektrischen Hilfsmittel gesichert werden könne, das nur rd. die Hälfte koste. Der Mann lehnte einen Elektro­rollstuhl jedoch ab. Eine rein passive Fortbewegung sei für ihn keine adäquate Alternative, da selbst der Medizinische Dienst einen Elektro­rollstuhl in seinem Falle als "Zumutung" bewertet habe.

LSG: Behinderte Menschen haben hinsichtlich ihrer Hilfsmittel ein Wunsch- und Wahlrecht

Anders als die erste Instanz hat das LSG die Kasse zur Kostenübernahme verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein querschnitts­ge­lähmter Versicherter nicht gegen seinen Willen auf einen rein passiven Elektro­rollstuhl zur Erschließung des Nahbereichs verwiesen werden könne, wenn er lediglich eine elektrische Unterstützung benötige. Bei der Prüfung des Anspruchs auf ein solches Hilfsmittel dürfe das Grundbedürfnis der Erschließung des Nahbereichs nicht zu eng gefasst werden. Dies folge aus einer grund­recht­s­o­ri­en­tierten Auslegung, den Teilhabezielen des SGB IX und der UN-Behin­der­ten­rechts­kon­vention. Dem Wunsch- und Wahlrecht des behinderten Menschen sei volle Wirkung zu verschaffen. Die Leistung müsse dem Berechtigten viel Raum zur eigen­ver­ant­wort­lichen Gestaltung der Lebensumstände lassen und die Selbst­be­stimmung fördern. Im Falle des Klägers widerspräche eine nicht gewünschte Versorgung mit einem Elektro­rollstuhl dem Selbstbestimmungsrecht des Behinderten.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, ra-online (pm/ab)

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