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Dokument-Nr. 32663

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil26.01.2023

Hartz IV und die Folgen eines Ausbil­dungs­ab­bruchsRückforderung von Grundsicherungs­leistungen verstößt gegen Verhält­nis­mä­ßigkeits­grundsatz

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Rückforderung von Grundsicherungs­leistungen wegen sozialwidrigen Verhaltens gegen das Übermaßverbot verstoßen kann.

Geklagt hatte ein heute 28-jähriger, ungelernter Langzeit­a­r­beitsloser aus Salzgitter, der langjährig Grund­si­che­rungs­lei­tungen bezieht. Im Jahre 2012 verlor er seinen Ausbil­dungsplatz wegen wiederholten, unent­schul­digten Fehlens am Arbeitsplatz. Zeitnah verhängte das Jobcenter wegen des Ausbil­dungs­ab­bruchs eine 30 %-Sanktion. Darüber hinaus verlangte es in der Folgezeit die Rückzahlung der über mehrere Jahre gewährten Grundsicherungsleistungen von rd. 51.000 €. Da er seine Hilfe­be­dürf­tigkeit grob fahrlässig herbeigeführt habe, müsse er die deshalb gezahlten Leistungen wegen sozialwidrigen Verhaltens erstatten. Mit einer abgeschlossenen Berufs­aus­bildung als Elektroniker hätte er sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt. Hiergegen ging der Mann vor. Nach seiner Ansicht könne sein damaliges Verhalten nicht mehr als Ursache seiner jetzigen Hilfe­be­dürf­tigkeit gewertet werden.

Ausbil­dungs­abbruch nicht mehr kausal für den Leistungsbezug

Das LSG hat die Rechts­auf­fassung des Klägers bestätigt. Zwar stelle der Ausbildungsabbruch ein sozialwidriges Verhalten dar, jedoch sei er nach mehr als 3 ½ Jahren nicht mehr kausal für den Leistungsbezug. Denn der weitere berufliche Werdegang nach Abbruch der ersten Berufs­aus­bildung sei spekulativ. Bei einem unkooperativen, schwer vermittelbaren Arbeitslosen fehlten konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass er mit einem regulären Berufsabschluss durchgängig gearbeitet hätte.

Erhebliche Ersatz­ansprüchen wegen typischer "Jugendsünde" unver­hält­nismäßig

Zudem hat das Gericht zugunsten des Klägers einen Härtefall angenommen. Es widerspreche dem Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz und dem Grundsatz des Forderns und Förderns, wenn eine typische "Jugendsünde" eines damals 20-jährigen zu erheblichen Ersatz­ansprüchen führe, die jegliche Erwer­bs­per­spektive zerstörten. Ausbil­dungs­ab­brüche seien bei jungen Menschen ein weit verbreitetes Phänomen, das Außenstehende als unklug, überstürzt oder irrational erkennen, während die Betroffenen diese Einsicht in aller Regel erst in späteren Lebensphasen gewinnen würden.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, ra-online (pm/ab)

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